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Thailand

Chiang Mai

Okay alle zusammen. Ich bin euch einige Zeit so EINIGES an Berichterstattung schuldig geblieben, was mir leid tut. Zu meiner Verteidigung habe ich jedoch zu sagen, dass ich seit drei Tagen in einem Yogacamp in einer winzigen, absoluten Hippiestadt sitze und mein Tag von morgens um 6 bis abends um 9 mit Meditationen, Philosophiestunden und Yogaklassen vollgestopft ist. Gerade haben wir freigang und ich verstoße gegen die Ernährungsrichtlinien, indem ich mir einen großen Kaffee Latte MIT KOFFEIN genehmige. Ich war ja schon immer sehr rebellisch veranlagt. Doch zurück zum Thema. Chiang Mai. Fünf Nächte war ich dort, und möchte hier jetzt meine Erlebnisse zusammenfassen, in etwas kürzerer, jedoch hoffentlich nicht weniger unterhaltsamer Manier als sonst. So.

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Wie am Ende des letzten Posts bereits angedeutet, verlief meine erste Nach in Chiang Mai nicht gerade ruhig. Gott sei Dank machte das nicht ganz so viel, da ich für den kommenden Tag lediglich geplant hatte, zu Fuß in der Stadt verloren zu gehen. So lernt man neue Orte einfach am Besten kennen, und so nahm ich nach dem Aufstehen ein TukTuk zum anderen Ende der Stadt. Dort gab es laut Internet die besten Acaii-Bowls (kann ich nach ausreichend langer Testphase bestätigen), also aß ich Frühstück und wanderte quer durch die Stadt zurück zum Hostel. Das dauerte zweieinhalb Stunden. Ich stoppte in einem riesigen Schreibwarenladen (meine große Schwäche), diversen Tempeln und Denkmälern, einem englischen Buchladen, schlürfte einen frischen Maracujasaft und kam um 12 glücklich und zufrieden (und etwas fußlahm) wieder am Hostel an.

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Mittlerweile hatte ich mich mit zwei Mädels verabredet, die der Zufall mal wieder zu mir gebracht hatte. Eine von ihnen hatte ich in Phnom Penh, Kambodscha getroffen und seitdem nicht mehr gesehen und mit der anderen hatte ich in der Halong-Bucht in einem Bett geschlafen. Und Facebook hatte mir verraten, dass sich ausgerechnet diese beiden Mädels in Chiang Mai getroffen und die letzten Tage dort zusammen verbracht hatten. Genau zu dem Zeitpunkt, als ich auch dort eintraf. Und so saß ich bald in einem Tattoostudio neben den beiden, während Stephanie sich ein traditionelles Bambus-Tattoo stechen ließ. Sehr spannend.

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Wir aßen Mittag im Blue Diamond (Vegane Waffeln! Vegane Donuts! Vegane SCHOKOCROISSANTS!!!) und verkrochen uns dann alle erstmal wieder in unsere Betten, es war mittlerweile vier Uhr Nachmittags und ich war genau so fertig wie meine Begleitung.

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Den Abend ließen wir dann wieder gemeinsam ausklingen, bei ein paar Gläschen Wein und richtig guten Gesprächen. Das war eine kleine Streicheleinheit für meine Seele und bestätigte, dass ich sicher nicht die einzige alleinreisende bin, die nach Monat zwei ein echtes emotionales Tief erlebt. Offensichtlich geht das jedem so. Allein Reisen ist keine Herausforderung, weil man alleine einen Bus buchen oder alleine in einem Hostelbett schlafen muss. Es ist eine Herausforderung, weil man mit sich alleine ist. Mal so richtig, richtig alleine, wie man es im Alltag nie wäre. Und so ist man gezwungen, seinen Gedanken zuzuhören, und zwar auch denen, von denen man sich zu Hause bestens abzulenken wüsste – mit einem Kaffee mit Freunden, einem Kinobesuch, dem Fernseher. Und das ist wahrlich kein Zuckerschlecken, glaubt mir.

Die kommende nacht verlief etwas ruhiger, offensichtlich hatte ich deutlich genug durchblicken lassen, dass ich keine Skrupel hatte, einfach das Licht im Zimmer anzuschalten, sollte ich nochmal in frühen Morgenstunden von Sexgeräuschen geweckt werden. Ich schlief also durch. Das war dieses mal sehr nötig, denn ich hatte mal wieder eine Wanderung organisiert.

Ich stand extra früh auf und schlenderte wieder zum Blue Diamond, um mir frischen Porridge, einen Sojalatte und einen frischen Saft zu gönnen. Morgens um 7. Diese Ruhe in den Straßen, wenn keiner wach ist, und die Vögel langsam zu singen anfangen – einfach herrlich. Das ist das Paradies!

Um halb 9 wurde ich dann abgeholt und zusammen mit 8 anderen Mitwanderern eineinhalb Stunden lang über gefährlich kurvige Bergstraßen zum Startpunkt unserer Wanderung gefahren. Da wünschte ich mir dann, ich hätte mir keinen Porridge, Sojalatte und frischen Saft gegönnt. Doch es half nichts, ich musste da durch, und fiel, am Ziel angekommen, kreidebleich aus der Schiebetür unseres Minivans.

Nach kurzer Akklimatisationsphase ging es schließlich los. Wir wurden in Armeekleidung und Gummistiefel gehüllt, mit jeweils einem Wanderstock aus Bambus ausgestatten und los ging die wilde Fahrt: 6h Wanderung durch den thailändischen Dschungel. Jawollja.

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Von der Wanderung gibt es nicht allzu viel zu berichten, außer, dass sie mal wieder richtig Spaß gemacht hat. Es ging ordentlich bergan, hier und da konnten wir an Lianen schaukeln, zum Mittag gab es Reis und frisches Obst. Ich sah und aß wilde Ananas (lecker!) und Bananen (ungenießbar!), genoss die Ausblicke über nebelige Gebirgszüge und unterhielt mich mit den Leuten um mich herum, eine bunte Truppe aus Belgiern, Iren, Chinesinnen und einem Mädel aus Südafrika. Die Fahrt im Minivan zurück nach Chiang Mai verschliefen wir alle.

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An jenem Abend aß ich alleine zu Abend, ließ mir den Rest meiner Pizza einpacken und fühlte mich dann noch nicht nach Hostelzimmer. Also schlenderte ich weiter bis ich irgendwann an einen Fluss kam. Ich blieb kurz stehen, setzte mich dann auf die Treppenstufen, die vom Bürgersteig hinunter zum Wasser führten, schaute mich um – und fing an zu weinen. Und ich weinte und weinte und weinte, und zwar so richtig. Ich sage euch, so sehr habe ich lange nicht mehr geweint, Jahre, vermutlich. 30 solide Minuten konnte ich nicht aufhören, saß da, guckte aufs Wasser, und weinte. Bis ich irgendwann nicht mehr weinen konnte.

Ich wühlte gerade in meinem Rucksack nach meinem Notizbuch und einem Stift, da bemerkte ich einen alten Thailänder mit wildem Bartwuchs und dreckigen, zerrissenen Kleidern, der über mir auf der Treppe stand und mit nichts als einer Plastiktüte in der Hand auf mich hinabschaute. Ich wischte meine Augen so gut es ging trocken und guckte ihn direkt an. Er lächelte, und ich lachte zurück.

„Pizza?“

Zufällig war mir gerade meine übrig gebliebene Pizza in die Hand gefallen, die als kleines Paket aus Alufolie in meinem Rucksack herumgelegen hatte. Das streckte ich jetzt dem Mann entgegen, ich hätte es so oder so nicht mehr essen wollen.

Der Mann grinste noch breiter, kam mir entgegen und nahm mir die Pizza ab. Er nickte, wandte sich ab und ging. Und mir ging es gleich ein bisschen besser.

Dann schrieb ich alles auf, was ich im Kopf hatte, bis es dunkel wurde und ich am Flussufer nichts mehr sehen konnte. Schließlich wanderte ich zurück ins Hostel und schlief.

Kommenden Morgen musste ich aus meinem Hostel auschecken. Ich hatte länger bleiben wollen, doch alle Betten waren ausgebucht, bevor ich das beschlossen hatte. Ich mochte die Stadt. Sie erinnerte mich ein bisschen an Melbourne, natürlich in südostasiatischer Version. Aber das viele vegane essen, die westlichen Cafés, die kleinen Straßen, die Streetart, das viele Wasser und Grün, die netten Menschen… irgendwie toll. Und so hatte ich am Tag zuvor einen echten Last Minute Schnapper auf booking.com gemacht und ein Privatzimmer in einem Hotel in der Innenstadt für 25 Euro für zwei Nächte geschossen. Ha. Ich packte also meine sieben Sachen und zog los.

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Super Hotelzimmer. Sehr sauber, schickes Bad, kleiner Balkon, Blick ins Grüne, funktionierende Klimaanlage, netter Gastgeber. Nächste Mission: Fahrrad leihen. Ich wollte mal ein bisschen schneller durch die Stadt kommen, ohne mir ständig ein TukTuk suchen zu müssen. Also fragte ich an der Rezeption, wo man denn am besten ein Fahrrad leihen könnte. Folgende Antwort:

„3 Minuten mit dem Moped von hier. Ich fahr dich eben hin.“

Und ehe ich mich versah saß ich hinter dem Hotelinhaber auf seinem Roller und ließ mich zum Fahrradverleh chauffieren. So einfach geht das hier in Thailand. War mir sehr recht.

Das Ehepaar, bei dem ich das Fahrrad lieh (das kostet hier 50 THB, also 1,25 Euro pro Tag) war äußerst freundlich und ließ sich von mir mehrmals bestätigen, was für ein guter Mann der Herr doch sei, der mich gerade auf dem Moped hergefahren hatte. Ja, war er. Bei genauerem Hinsehen hatte er sogar Ähnlichkeit mit den beiden… ich denke, da wollte jemand seinen Sohn unter die Haube bringen. Aber auch das war mir hier nicht zum ersten Mal passiert.

Den Rest des Tages verbrachte ich auf meinem Rad. Ich fuhr nochmal zum Schreibwarenladen, zu verschiedenen Restaurants, in denen ich großartiges Essen serviert bekam, und zu kleinen Märkten, die mir empfohlen worden waren. Mehr passierte nicht. Aber ich war glücklich. Richtig glücklich. Entspannt, vollgefressen, glücklich.

Am Abend packte ich meinen Rucksack ganz leer, breitete alles, was ich hatte, auf dem Boden meines Hotelzimmers aus und ließ es die ganze Nacht dort liegen.  Bevor ich einschlief, saß ich im Schneidersitz auf meinem weißen Doppelbett, wie auf einem Thron, und besah alles, was ich da so bei mir hatte. Das war nicht viel, aber alles, was da lag, hatte einen Sinn. Alles eine Bedeutung. Nichts überflüssiges, kein Ballast, alles hatte eine Aufgabe die seine Anwesenheit rechtfertigte. Das rief bei mir ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit hervor, und so schlief ich beruhigt inmitten meiner Habseligkeiten ein.

Der kommende Tag sollte mein vorerst letzter Tag in Chiang Mai sein. Ich radelte zu dem netten Ehepaar, um mein Fahrrad abzugeben und es gegen einen Motorroller einzutauschen. Der kostete 200 THB, also 5 Euro pro Tag, Plus den Sprit, den man verfuhr. Ich bekam ein paar überflüssige Instruktionen (schließlich war ich in Vietnam bereits zur genüge auf solchen Rollern unterwegs gewesen) und fuhr dann auf meinem frisch geliehenen, oragenen Flitzer vom Hof. „IN THAILAND FAHREN WIR LINKS!“ rief mir der nette Herr vom Verleih noch hinterher, was ich natürlich wusste, sonst wäre ich vermutlich am Vortag mit meinem Fahrrad schon drei Mal von der Straße gekickt worden. Ich winkte ihm und brauste außer Sichtweite.

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Ich fühle mich mittlerweile sehr wohl auf diesen Rollern. Stadtverkehr, Bergstraßen, enge Parklücken, alles kein Problem. Da konnte mir auch der Linksverkehr nichts mehr anhaben. Sowieso gibt es nur zwei Verkehrsregeln in Asien: 1. Wer dreist ist, kommt durch, Zurückhaltung wird mit dem Tode bestraft und 2. Egal, was du tust, solange du hupst bevor und während du es tust, ist es in Ordnung. Solange man sich daran hält, kann einem eigentlich nichts passieren.

Ich legte einen Zwischenstopp zum Frühstücken ein und begab mich dann auf die kurvige Gebirgsstraße gen Wat Phra That Doi, DIE Nummer 1 Sehenswürigkeit in Chiang Mai, eine große Tempelanlage auf dem Gipfel eines der vielen Berge, die die Stadt umgeben. Ich cruiste 30 Minuten lang gemütlich vor mich hin, nie schneller als 60 km/h (ja Mama, ich hatte einen Helm auf), hielt hier und da an, um die Aussicht zu genießen oder ein Foto zu schießen, und kam schließlich am Tempel an.

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Es war ein Tempel. Was soll ich sagen. Groß, golden, genau so viele Buddhas wie Chinesen mit Selfie-Sticks. Dieser Anblick wiederholt sich hicher ständig. Ich schlenderte barfuß wie ich zu sein hatte durch die heiligen Hallen und machte mich, als ich genug gesehen hatte, wieder auf den Weg in die Stadt. Die Fahrt bergab war nochmal mindestens doppelt so spaßig wie der Hinweg zum Tempel.

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Dann gab es Mittag, Mittagsschlaf und eine Pediküre, bevor ich mich am Abend auf dem Weg zum Sunday Walking Market machte. Ein must-do in Chaing Mai wurde mir gesagt, und da zufällig Sonntag war dachte ich, ich täte gut daran, mal vorbeizuschauen.

Der Markt war tatsächlich ziemlich cool. Sehr groß, mit allerhand Kuriositäten im Angebot. Ich hielt mich eineinhalb Stunden darin auf, besah die Auslagen verschiedener Stände, unterhielt mich mit ein paar Verkäufern, aß dann zu abend und machte mich auf, die letzte Aufgabe des Tages zu erledigen: Den Rollertank wieder voll machen.

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So. Ich weiß nicht, ob das asientypisch ist oder es mir in Deutschland nur noch nie passiert ist, aber es war acht Uhr abends, und an den ersten drei Tankstellen, die ich anfuhr, war das Benzin alle. Einfach alle. Ausverkauft. Also dauerte es vierzig volle Minuten, bis ich endlich eine Tankstelle fand, die mir noch etwas Benzin verkaufen wollte. Nachdem ich den ganzen Tag Roller gefahren war, kostete das auffüllen des Tanks 30 THB. 75 Cent. Das entschädigte mich etwas für die lange Benzinsuche, und das Ehepaar beim Rollerverleih freute sich ein Loch ins Knie, dass ich den Roller voll zurückbrachte. Das schafften offensichtlich nicht viele Reisende, nach meiner Tankstellen-Odyssee war mir aber auch irgendwie klar, warum.

„Du bist deutsch, oder?“

Der Mann am Verleih blickte auf meinen Pass.

„Ja, bin ich. Wieso?“

„AAAH! FUSSBALL! ICH LIEBE FUSSBALL! ICH BIN FÜR DEUTSCHLAND! ICH SEHE JEDES SPIEL! EURO-CUP! WARTE!“

Er verschwand hinter der Theke und hatte, als er zurückkam, einen Fußball unterm Arm, auf dem etwa fünfzig Unterschriften gesammelt waren.

„Hier unterschreibt jeder Deutsche, den ich treffe. Jetzt du.“

Er drückte mir einen blauen Edding in die Hand, und ich besah die schon vorhandenen Signaturen. Tatsächlich lauter deutsche Vornamen. Und so suchte ich eine nich verblieben Lücke und schrieb meinen Namen. Der Mann grinste, bedankte sich und winkte mir nach, als ich gemütlich durch das Dunkel der Nacht zurück zu meinem Hotelzimmer zu spazieren begann.

3 Antworten auf „Chiang Mai“

Wieder ganz hervorragend geschrieben und wahnsinnig schöne Fotos gemacht! Weiter so. Wir lieben dich sehr. Deine Ollen.

Klasse Klara!Du ahnst nicht ,wie Deine Berichte mich faszinieren!!Und die Fotos!! und Deine Gedanken!1 Beneidenswert1Mach weiter so und sei behütet! rosemarie wendenburg

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