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Thailand

Koh Tao

Vorab kurz ein Wort: Ihr wisst sicherlich mittlerweile, dass ich mir immer größte Mühe gebe, regelmäßig Beiträge für euch zu schreiben. Dass es dieses Mal so lange gedauert hat, bis es wieder was zu lesen gab, lag an sehr schlechtem Internet auf einer sehr kleinen Insel in Südthailand. Dieser Post hier wartet bereits seit vier Tagen auf seine Veröffentlichung – und hier ist er nun.

Der Flug nach Surat Thani verlief ziemlich reibungslos. Bei der Landung konnte ich endlich mal wieder das Meer sehen, das war mir ja seit meinem Ausflug in die Halong-Bucht nicht mehr vergönnt gewesen. Langsam stieg sowas wie Vorfreude in mir auf, auch, wenn sie noch immer leicht getrübt wurde von der Tatsache, dass dieser Inselausflug mich etwa doppelt so viel kosten würde wie ich ursprünglich für ihn veranschlagt hatte. Denn als ich am Vorabend noch eben versucht hatte, ein Hostelbett für mich auf der Insel zu buchen, war mir aufgefallen, dass quasi alles voll war. Also sah ich mich gezwungen, das billigste (aber lange nicht billige!) ranzigste, am schlechtesten bewertete Hostel zu buchen – 12-Mann Zimmer ohne Klimaanlage. Das besorgte mich vor allen Dingen aufgrund der tropischen Temperaturen und meines Beines, das sich mal wieder bei der Luftfeuchtigkeit und Hitze hier bestens entzündet hatte. Ironie des Schicksals. In Der Halong-Bucht durfte ich ja schon nicht ins Wasser, und da hatte ich immer gesagt: „Macht nichts, ich fahr ja noch auf die Thai-Inseln.“ Tja. Und nun saß ich da, mit meinem wieder offenen Bein auf dem Weg in ein dreckiges Hostelzimmer, in dem meine Wunde auch ganz sicher nicht nachts mal durchtrocknen würde.

Ich werde mich bemühen, in den folgenden Absätzen meinen Aufenthalt auf Koh Tao so prägnant wie möglich zusammenzufassen, da ich mich mittlerweile schon wieder eine Woche in der Zukunft befinde ud es einfach zu viel zu erzählen gibt. Also.

Da es das Universum mal wieder gut mit mir meinte, lerne ich noch auf der Fähre Tanja, eine BWL-Studentin aus Osnabrück, kennen. Ihre Reisebegleitung hatte sich kurzfristig dazu entschieden, einen Tauchkurs auf Koh Tao zu machen, weshalb das Hostelbett zwar gebucht, aber nun doch nicht benötigt wurde. Glück für mich. Ich stornierte meine Buchung im Horror-Hostel und verbrachte die kommenden vier Nächte, die ich auf der Insel bleiben sollte, im Doppelstockbett unter Tanja in einem sehr sauberen, klimataisierten 8-Bett-Dorm. Das Leben kann so einfach sein.

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Koh Tao selbst konnte mich leider nicht so richtig vom Hocker hauen. Ich glaube, das lag hauptsächlich an zwei Dingen: Erstens war die Insel einfach zum Bersten gefüllt mit verkaterten Touristen zwischen 18 und 25 Jahren, die nach der legendären Mondscheinparty auf Koh Phangan wenige Tage zuvor zum Ausnüchtern und/oder Weitertrinken gekommen waren. Und zweitens hatte ich damals in Kambodscha, auf Koh Rong um genau zu sein, einfach schon das absolute Maximum an Paradies gesehen, wie es schien. Aber der erste Punkt war glaube ich eher ausschlaggebend für meine zurückgehaltene Begeisterung.

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Am ersten vollen Tag auf Koh Tao begaben Tanja und ich uns auf einer Schnorcheltour, einmal um die gesamte Insel herum. Und das lohnte sich schon. Wenn auch leider in Begleitung hunderter anderer Touristen, so sahen wir doch wundervolle Korallenriffe und riesige Schwärme bunt schimmernder Fische in glasklarem Wasser, durch welches die Sonnenstrahlen ungestört auf den weißen Meeresboden fielen.

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Ebenfalls sehr touristisch, doch landschaftlich wunderschön war unser letzter Stop auf Koh Nang Yuan, weshalb ist bitte den Fotos zu entnehmen:

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Im großen und ganzen hatte sich dieser Ausflug für alles gelohnt, was wir an diesem Tag sahen. Doch ich musste zum wiederholten Male feststellen, dass dreckige Boote auf denen 100 Touristen barfuss herumlaufen, nach altem Urin müffelnde Sanitäranalagen und laut schreiende weil gestresste Thai-Kellner einfach Dinge sind, mit denen ich nur schlecht umzugehen weiß. Zudem pochte mein Bein am selben Abend bedenklich und gab mir immer mehr Anlass zur Sorge. Jene Sorge versuchte ich zu vergessen, als Tanja und ich gegen Abend zum Strand schlenderten, um einen wie sich herausstellen sollte wunder-, wunderschönen Sonnenuntergang zu beobachen. Derer werde ich ja nie überdrüssig. Sonnenuntergänge im Sommer am Strand unter Palmen sind einfach was ganz besonderes, da gibt es nichts dran zu rütteln. Da fühlt man alles gleichzeitig: Freude, Glückseligkeit, Wehmut, Weltschmerz, Nostalgie, Trauer, Zufriedenheit – und ein unaufhörliches Pochen im rechten Unterschenkel.

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Die Tage Nummer zwei und drei auf Koh Tao verliefen ohne größere Aktionen sehr entspannt. Ich las, schrieb, trank Kaffee, aß leckeres essen und  bemühte mich zu zwei Yogaklassen. Doch am Nachmittag des dritten Tages begann das Laufen mir zunehmlich Probleme zu bereiten, weshalb ich in den sauren Apfel biss und mich in die einzige Arztpraxis auf Koh Tao schleppte.

Als ich nach einem Arzt für meine Brandwunde verlangte, lachte die Schwester mich aus. Ihr müsst wissen, auf Koh Tao humpelt eine beachtlich große Schar an Urlaubern mit verbundenen Extremitäten umher, weshalb eine Brandwunde am Bein doch eher nach einer Lappalie ausgesehen haben muss.

„Nur desinfizieren und verbinden! Und Antibiotika nehmen, dann gut!“

versprach die Schwester, doch angesichts der Tatsache, dass ich genau das in den vergangenen 8 Tagen getan hatte (bis auf das Antibiotikum) und es meinem Bein kontinuierlich schlechter zu gehen schien, blieb ich hartnäckig und pochte darauf, jetzt bitte sofort zum Arzt gebracht zu werden.

Als der dann schließlich, barfuß in seinem nicht so wirklich sauberen Behandlungszimmer stehend, mein Bein auspackte, lachte keiner mehr. Was folgte, war ein traumatisches Erlebnis, bei welchem ich als Hauptdarstellerin alleine bäuchlinks auf einer abgewetzten Lederliege in einer Arztpraxis mit abblätterndem Putz an den Wänden liege, während mich zwei Schwestern, von denen eine früher ganz sicher mal ein Mann gewesen war, festhalten und mir ein „Arzt“ wie ich ihn mal nennen möchte drei Injektionen zur lokalen Betäubung ins Bein jagt, um dann meine, laut professioneller Meinung „schwer entzündete“, Brandwunde an Ort und Stelle auszuschaben. Ich sage euch, ich bin wahrlich kein wehleidiger Mensch und wer mich kennt, der weiß wohl, dass ich in meinem Leben schon genug schmerzhaften Mist in Arztpraxen über mich ergehen lassen musste. Aber an jenem Nachmittag war ich selbst davon beängstigt, wie laut ich schreien kann, wenn mir was weh tut. Ich hatte Angst und Schmerzen und war allein, weslhalb mir irgendwann die Tränen übers Gesicht liefen. Neben mir saß mittlerweile ein Franzose mit aufgeschnittenem Fuß, der abwechselnd mich und dann mein Bein ansah, um dann mit verzerrtem Gesicht den Arzt zu Fragen, was zur Hölle DAS denn bitte war. Infizierte Brandwunde mein Lieber. Sieht nicht schön aus. Weiß ich jetzt auch.

Nach einer halben Stunde taumelte ich benommen und mit einer Wochenration Penicillin im Gepäck wieder ins Freie und musste mich erstmal wieder fangen. Ich beschloss, die Yogastunde am Abend ausfallen zu lassen, mein Bein brannte wie Feuer und ich befand mich auch geistig in keinem allzu stabilen Zustand. Hunger hatte ich auch keinen mehr, also gab es zum Abendessen eine Banane, bevor ich irgendwann erschöpft einschlief.

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Der nächste Tag war der Tag der Abreise. Doch bevor meine Fähre ging, sollte ich nochmal beim Arzt vorstellig werden, zur erneuten Säuberung der Wunde. Also stand ich morgens um 07:50 Uhr, zehn Minuten vor offiziellem Arbeitsbeginn, in der Praxis auf Koh Tao. Der Arzt schlurfte in Schlafanzug, brafuß wie eh und je und mit wilden Haaren an mir vorbei, als eine Schwester mich ins Behandlungszimmer bat.

Fünf Minuten später lag ich schon wieder auf der Lederliege vom Vortag und betete zu Gott, dass diese Tortur doch bitte bald ein Ende haben möge.

„Großer Schmerz.“ sagte die Schwester, und ich dachte, sie bezog sich auf die vergangenen fünf Minuten, da ich mich schon wieder zwingen musste, die Zähne zusammenzubeißen um nicht das gesamte Haus zusammenzubrüllen. Aber nein Klara, falsch gedacht. „Großer Schmerz.“ war keine Feststellung, sondern eine Warnung. Gefolgt von

„Eins, zwei, DREI“

und dann dem brutalsten Brennen im Bein, das ich jemals erlebt habe.

Ihr, die ihr das lest, könntet an dieser Stelle eventuell denken, dass ich 1. übertreibe, 2. nur auf mitleid aus bin und 3. eigentlich ja nur von meinen Erlebnissen beim Arztund nicht so recht von der Insel Koh Tao selbst erzähle. Zu 1. und 2. kann ich nur sagen, dass dem nicht so ist, und was 3. betrifft ist es nunmal so, dass Koh Tao mich nicht sehr beeindruckt hat, diese Arztbesuche jedoch ein umso prägenderes Erlebnis waren. Auf diesem Blog geht es schließlich um sehr subjektive Erlebnisberichte meinerseits, und wenn ich an Koh Tao zurückdenke, denke ich eben zuerst an diese ranzige Arztpraxis und schneidende Schmerzen in meinem rechten Unterschenkel.

Eben erwähntest, brutales Brennen im Bein wurde übrigens dadurch ausgelöst, dass mir gerade eine offene, flächige, entzündete Wunde mit Ethylalkohol ausgewischt wurde. Da konnte ich dann tatsächlich nicht mehr an mich halten und wurde wieder ziemlich laut. Dieses Mal hatte die Schwester aber wenigstens Mitleid und sagte wiederholt: „Ich weiß, ja, ich weiß.“. Wenigstens etwas. Aber ich wollte eigentlich nur zu meiner Mama.

Bevor ich jenen Beitrag beschließe muss ich noch von einem Erlebnis berichten, welches mir auf der Insel mal wieder bewiesen hatte, dass die Welt nicht viel größer ist als eine dieser Wasserwellen, die man am Strand sieht (Zitat Lorelai Gilmore, wenn ihr nicht wisst, wovon ich spreche, gehört ihr entweder nicht zu meiner Generation, meinem Kulturkreis oder hattet im Alter von 11 bis 16 Jahren besseres zu tun als euch die komplette „Gilmore Girls“-Serie auf DVD zuzulegen und zig mal komplett durchzugucken). Jedenfaalls stand ich eines lauen Abends auf Koh Tao in dem letzten kleinen 7-eleven Conveniencestore, um mir noch eine Flasche Wasser und ein bisschen Sojamilch für den Kaffee zu besorgen, da machte ich Augenkontakt mit dem Mädel hinter mir in der Schlange an der Kasse. Wir guckten beide komisch, dann sagte ich, was wir beide dachten:

„Ich kenne dich.“

Tatsächlich war es so. Ich kannte dieses Gesicht, wusste es aber beim besiten Willen nicht zuzuordnen und dachte deshalb aus Gewohnheit, dass ich sie auf meiner Reise schon  mal irgendwo getroffen haben muss. Vielleicht in einem Hostelzimmer in Vietnam oder so. Kurzum: Ich hatte keinen blassen Schimmer, wusste aber, dass ich ihr schon mal begegnet war. Sie lachte mich an.

„Ja, du bist aus Finnland, oder?“

Hm. Sie musste mich also aus Kambodscha kennen. Seam Reap wahrscheinlich. Da hatte es einen Zwischenfall gegeben, bei dem die gesamte Besatzung meines Hostelzimmers zwei Tage lang dachte, ich sei Finnin. Wäre das also geklärt. Ich erinnerte mich trotzdem nicht so recht daran, sie dort gesehen zu haben. Aber mein Gedächtnis, das wusste ich, ist ja nun wahrlich nicht das beste.

„Nein nein, nicht aus Finnland, ich bin deutsch.“

„Ja, das weiß ich doch. Ich meine das Auslandsstudium in Helsinki vor zwei Jahren. Wir hatten doch den Personalkurs bei Elizabeth zusammen!“

Und da fiel der Groschen. Ich wusste gar nicht so recht, wohin mit mir, so überwältigt war ich. Tatsächlich. Sie (ihren Namen kenne ich nicht mehr und ich traute mich auch nicht zu fragen) hatte im Wintersemester 2014 an der Haaga-Helia Universität in Helsinki als Austauschstudentin eine Reihe vor mir im Abendkurs über Personalführung gesessen. Und jetzt stand sie hier, mit ihrem Freund, direkt hinter mir im letzten Miniladen auf der hintersten Miniinsel an einem abgelegenen Touristenstrand in Thailand, Asien. So kanns gehen Freunde. Kleine Erinnerung an all jene, die gerade versuchen sollten, der Executive zu entkommen. Keine Chance. Die Welt ist ein Dorf.

Wir unterhielten uns so lange, bis wir beide bezahlt hatten, normaler Smalltalk. Was machst du so, was mache ich so, wie gefällt uns Thailand. Dann wünschten wir einander noch schönen Urlaub und ich schwebte, noch immer überwältigt von so viel Zufall (oder eben auch nicht Zufall, Maktub, ihr wisst ja) aus dem kleinen 7-eleven mitten im Nirgendwo auf Koh Tao.

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So. Nach vier Nächten auf Koh Tao brachte mich eine Fähre wieder zurück nach Surat Thani auf dem Festland. Unterwegs hielten wir auf Koh Phangan und Koh Samui, doch ich hatte keinen Nerv mehr für touristenüberflutete Inseln. Ich wollte eine Pause – und ich wollte zu Pam. Ihr erinnert euch an Pam, unsere thailändische Gastschülerin? Genau die. Die wollte ich besuchen. Und dahin war ich jetzt auf dem Weg.

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