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Taupo Part II

Gestern morgen wurde erstmal in Ruhe gefrühstückt, wie sich das gehört. Ich  hatte mir Müsli und Milch besorgt und fühlte mich damit wie die Queen, einfach, weil endlich mal nicht Weißmehl der Hauptbestandteil meiner morgendlichen Mahlzeit war. Milch ist nämlich auch so ein kleines Luxusprodukt,welches man sich nur leisten kann, sobald man mal länger als nur eine Nacht irgendwo ist, denn sonst hält die geöffnet bei dreißig Grad Ausßentemperatur im BMW ohne Klimaanlage nicht sehr lange durch. Nach dem Frühstück tippte ich noch schnell den gestrigen Blogpost ab und wir beshlossen, nochmal zur Touristeninformation zu laufen und ein paar Sachen zu klären.

Wie es aussieht, werde ich heute doch noch nicht nach Wellington fahren können, wir haben offensichtlich irgendwie verpasst, dass da heute ein riesiges Rugbyspiel stattfindet uns deshalb jedes noch so kleine Hostel doppelt so teuer ist wie sonst. Also musste gestern mein Bus umgebucht und eine neue Unterkunft in einer anderen Stadt gefunden werden. Außerdem gibt es hier am Lake Taupo Maori-Felsschnitzereien, und die wollten wir gestern mit dem Boot besichtigen fahren.

Mit diesem Stapel Aufgaben im Gepäck stiefelten wir also los zur Touristeninformation, und uns wurde fachlich einwandfrei geholfen. Ich hatte meine neue Unterkunft, den entsprechenden Bus, und wir hatten Tickets für eine Bootsfahrt zu den Maorischnitzereien, die schon bald losgehen sollte. Wir wurden zwar schon beim Erwerb der Karten freundlich darauf hingewiesen, dass es doch sehr windig sei und wir damit rechnen müssten, dass die Fahrt abgesagt werden könnte, aber das machte uns erstmal nicht allzu viele Sorgen.
Hätte es vielleichtlieber doch tun sollen.
Eine Stunde später standen wir gestiefelt und gespornt am Bootsableger vor einer kleinen, einem Dampfboot nachempfundenen Fähre mit bunten Wimpeln am Schornstein und sattgrünem Lack. Man hätte sie sich hervorragend dabei vorstellen können, wie sie Tag für Tag einen Passagier nach dem anderen über den Mississippi bringt, aber so richtig hochseetauglich sah die nicht aus. Gut, sollte mir erstmal nicht viel machen, wir waren ja hier auch nicht auf hoher See.
`Hallo! Wir wollte zu den Rock-Cavings fahren?`
`Ja gerne, willkommen! Es könnte heute allerdings etwas rau werden… wird jemand von euch seekrank?`
`Nö, wir sind Kummer gewohnt. Solange es nicht gefährlich wird…`
`Nein, gefährlich wird es nicht, sonst würden wir ja nicht rausfahren.`
Nachdem die Sache mit der Sicherheit geklärt war, gab es für mich keinen Grund mehr zu Sorge. Etwas rau sollte es werden…pah! Die sollten sich mal zusammenreißen, schließlich ist der Lake Taupo ein See, ein SEE, und nicht DIE See, wir wollten hier ja keine Weltumsegelung starten. Wir setzten uns also auf unsere Plätze, um uns herum versammelte sich noch eine Reisegruppe aus drei Indern und zwei junge Mütter mit jeweils zwei kleinen Kindern, zwei Mädels und zwei Jungs. Wir konnten leider nicht ganz ausmachen, welches Kind zu welcher Frau gehörte, vermuteten aber, dass da mehr als zwei Männer im Spiel gewesen sein müssen. Mit dieser lustigen Truppe ging es also los zu unserem angepeilten Ziel.
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Die erste dreiviertel Stunde verlief alles ruhig. Klar, war ein bisschen wellig, und wer vorne am Bug stand wurde nass, aber hey, so ist das nunmal auf nem Boot, und das wurde von mir mal als normaler Seegang abgetan. Ich hab ja nun schon wirklich so manche Stunde auf dem Wasser verbracht und dachte, auf so nem See passiert mir jetzt auch nichts aufregendes mehr. Wir genossen also die Sonne, bewunderten die Landschaft und die vielen kleinen Villen, die immer mal wieder im Wald am Ufer auftauchten.
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Tja.
Und dann verließen wir unsere Bucht.
So. Jetzt heben wir alle mal die Hände und danken dem lieben Gott, dass ich noch lebe. So schlimmen Seegang, liebe Freunde, hatte ich mein Lebtag noch nicht erlebt. Oder vielleicht doch, dann aber an Bord einer riesigen Passagierfähre, und nicht in einer so ungeeigneten Nusschale wie dem Bötchen, in dem wir uns gerade befanden. Je weiter wir auf den See kamen, desto höher wurden die Wellen, als wir bei drei Metern Wellenhöhe angekommen waren (und ich übertreibe nicht, diese Zahlen kommen vom Skipper) wurde alle fünf Minuten der Motor abgeschaltet um den Wellengang abzuwettern. Schiffsbug und die Kabine in der der Skipper stand verschwanden regelmäßig im Wasser, durch die Türschlitze liefen kleine Bäche, und zu allem überfluss waren die beiden qualifizierten Mütter an Bord nicht in der Lage, mal ihre Kinder festzuhalten, weshalb alle naselang einer der kleinen umkippte und sich mit einem herrlich lauten Knall den Kopf an einer Tisch- oder Bankkante stieß, dicht gefolgt von einem markerschütternden Schrei. So saß ich da, auf dem Wasser, mit einer Crew aus einem etwa fünfzigjährigen Skipper, der sich krampfhaft am Steuerrad festhielt und hier und da mal ein Schimpfwort fallen ließ, einer Siebzehnjährigen, die auch nur noch damit beschäftigt war, sich festzuhalten und sich ein Lächeln aufs Gesicht zu zwingen, um uns alle mit mäßigem Erfolg zu beruhigen, und einem Vierzehnjährigen, wohl der Enkel des Skippers, der uns zwar als vollwertiges Crewmitglied vorgestellt worden war, mittlerweile aber seekrank auf dem Frontdeck über der Reling hing. Hervorragend.
Ein paar Minuten später hatten wir uns tatsächlich zu den Maorischnitzereien vorgearbeitet, und der Skipper drehte bei. Und ab diesem Zeitpunkt war es bei mir vorbei. Ich sage euch, so lange ein Boot nach oben und unten schaukelt is mir das relativ egal, aber als wir parallel zu Felswand und Wellen standen und meine Schulter in regelmäßigen Abständen gegen das Fenster neben mir schlug, war Ende. Mein Magen rebellierte, mir wurde kotzübel (und das ist wirklich noch nie passiert) und ich legte meinen Kopf einfach vorsichtig auf der Tischplatte vor mit ab, um dem kleinen Bootsjungen auf dem Frontdeck nicht Gesellschaft leisten zu müssen. Dann fing der Skipper auch noch an, mit krampfigem Ton irgendwas über diese doofen Felshauereien zu erzählen, aber ohne Mist, mir war dieses blöde Maorizeug ja sowas von egal. Ich hielt meine Kamera irgendwo in die Richtung, in der ich die Carvings vermutete, drückte drei mal den Auslöser ohne hinzugucken (hätte ich in dem Moment auf ein Display geguckt wäre es wahrscheinlich ganz aus gewesen), packte die Kamera wieder ein und legte meinen Kopf wieder auf den Tisch, wo er hingerhörte. Anne versuchte sich an einer Konversation mit mir, aber ich war zu sehr darauf konzentriert, mein teures Mittagessen bei mir zu behalten. Eine viertel Stunde später hatten wir unsere sichere Bucht wieder erreicht und die Lage entspannte sich etwas. Die vormals heulenden Kinder schluchzten jetzt wenigstens nur noch leise, der Bootsjunge war ans Steuerrad zurückgekehrt und übernehm kurz, während sich der Skipper zu uns in die Passagierkabine begab.
`Na? Alles klar?`
Lustige Frage, wenn man mal drüber nachdenkt. Ja, danke, alles klar. Ich bin gerade fast umgekommen, aber sonst ist bei mir alles paletti, bei dir so? Hab ich natürlich nicht gesagt. Hätte ich vielleicht tun sollen, aber ich konnte noch nicht wieder sprechen. `Bei dir auch alles gut?` wiederholte der alte Mann und sah dieses Mal direkt mich an. Ich muss wohl doch etwas unglücklich ausgesehen haben. `Hmhm` sagte ich, nickte und lächelte, dabei hätte ich mich eigentlich lieber auf seine Segelschuhe übergeben.
Jetzt, da wir uns wieder in sicheren Gefilden befanden, hielt der Skipper es auch irgendwie für angebracht, darüber zu sprechen, dass er auch ab und wann ziemlichen Schiss hatte und dass er das so schlimm noch nie erlebt hatte. `Nach den Dreimeterwellen hätte ich eigentlich umdrehen müssen, aber dann hab ich gedacht: Jetzt haben wir die ja hinter uns, da kann ich auch weiterfahren.` super Einstellung. Ich weiß ja, wer mein Fluchtfahrzeug NICHT fahren wird. `Und es tut mir Leid, dass ich nicht näher an die Carvings gekommen bin.` waren seine letzten Worte, bevor er wieder zum Steuer verschwand um seinen Enkel abzulösen. Hallo? Wollte der mich verarschen? Wäre der noch näher an diese blöde Felswand gefahren hätte ich mich dabei nicht nur übergeben, sondern mir auch noch den Kopf angeschlagen. Nun gut.
Auf dem Weg in den Hafen sprachen sowohl Anne als auch ich nicht mehr so richtig viel, Anne ist zwar auch Kummer gewöhnt was Seegang angeht, aber das war ihr dann doch auch nahe gegangen. Wir waren jedenfalls beide dankbar, als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten, und plöztlich war uns auch beiden nicht mehr so richtig nach Abendessen, was sonst nur eher selten vorkommt.
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Anne und ich mussten uns dann verabschieden, weil Anne los musste zum nächsten Hostel, um am nächsten Morgen mit dem Tongariro Crossing starten zu können. Sie setzte mich netter Weise am Hostel ab, wo ich den Rest des Tages mit Arbeit für meinen Onlinekurs in der Uni verbrachte, das muss ja schließlich auch mal irgendwann erledigt werden. Als ich das dann euch abhaken konnte war ich froh, einfach auf dem Rücken auf meinem Bett liegen zu dürften, mein armes Bäuchlein festzuhalten und irgendwann selig einzuschlafen.
In diesem Sinne!
Alles Liebe,
Klara

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