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Kuala Lumpur Part II

Der Vormittag des kommenden Tages fiel dem katastrophalen Personennahverkehrssystem Kuala Lumpurs zum Opfer. Kaffee kaufen, Dreckwäsche zur Wäscherei bringen, den richtigen Bus finden und dann von der Bushaltestelle nochmal 20 Minuten zum Museumseingang spazieren hatte von halb 9 Uhr morgens bis ein Uhr Mittags gedauert. Dementsprechend nassgeschwitzt war ich bei meiner Ankunft, freute mich aber auf einen ausgedehnten Aufenthalt in einem klimatisierten Museum.

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Zum Museum für Islamische Kunst Malaysia ist zu sagen, dass das Gebäude selbst mehr hermacht als die Exponate. Bei denen handelt es sich hauptsächlich um alte Schriftrollen, Rüstungen, Münzen oder Plastiken mit leider nur spärlich vorhandenen erklärungen. Beeindruckender sind da schon die riesigen, verglasten, weißen Marmorhallen und Zierkuppeln. Das absolute Highlight war für mich eine kleine aber feine Fotoausstellung in der lichten Galierie, in welcher der Islam in verschiedenen Nationen dargestellt wurde. Und ich weiß nicht, was es ist, dass mich an Bildern von Menschen immer so packt, aber irgendwie rührten mich einige der Bilder so sehr, dass ich nicht nur Gänsehaut, sondern ein, zwei mal auch feuchte Augen bekam. Ich schrieb einen kleinen Eintrag in mein Notizbuch und zog, als ich alles gesehen hatte, wieder von dannen, zum Mittag in ein – wie sollte es anders sein – nahe gelegenes Einkaufszentrum.

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Auf dem Weg nach Hause trug sich der vormals erwähnte Spuck-Zwischenfall zu. Da stand ich an der Fußgängerampel und wartete geduldig auf grün, als drei pöbelnde Kerle hinter mir vorbeiliefen. Einer konnte sich ganz offensichtlich nicht beherrschen und spuckte mir, einfach so, in die Hacken. Schön ist anders. Und so führte mich mein nächster Weg in den nächstgelegenen H&M, wo ich mir für mehr Geld, als ich hatte, eine lange Hose zulegte. Sicher ist sicher.

Zum Abendessen war ich mit Eric verabredet, dem Niederländer aus dem Petrosains-Museum. Wir unterhielten uns nett, aßen wieder indisch, er erzählte davon, wie er in Vietnam gewohnt hatte, ich von meiner Reise und meiner mittlweile beachtlichen Sammlung von Brandwunden an beiden Beinen. Gutes Essen in guter Gesellschaft, weil uns eine Platzanweiserin zusammengesteckt hatte. So kanns kommen. Life is life. Oder auch: Maktub.

Der nächste Morgen begann früh. Ich war ja mit Elaine verabredet, die mir den berühmten Tempel in den Batu Caves zur Zeit der Morgengebete zeigen wollte. Abfahrtszeit: Sieben Uhr. Und so stand ich, zehn vor sieben, gestiefelt und gespornt und mit einem Becher wässrigen Kaffees aus dem 7-eleven in der Hand, vor meiner Hosteltür und wartete. Und wartete. Elaine stand im Stau. Weshalb? Kuala Lumpur Marathon, wie sich herausstellte. Ist mir ja ein Rätsel, wie man freiwillig bei 38 Grad und Sonne von oben 42 Kilometer weit über eine eigens dafür gesperrte Asphaltautobahn rennen kann. Aber gut, wer bin ich, mir da ein Urteil zu erlauben. Wir starteten also mit 30 Minuten Verspätung und kamen früher oder später an den Batu Caves an. Und da war heller Aufruhr.

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Offenbar war da gerade irgendeine hinduistische Veranstaltung im Gange, die weder Elaine noch ich auf dem Plan gehabt hatten. Auf dem Vorplatz des Tempels saßen hunderte Menschen indischer Herkunft, die Frauen in den farbenfrohesten, leuchtendsten Saris, die Männer in schillerndem Weiß, die Kinder mit rasierten und bemalten Köpfen. Es war wundervoll. Alle sangen, beteten, sangen wieder, riefen freudig Worte in Sanskrit in den Himmel, lachten. Ich hätte ewig da stehen und zusehen können.

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„Komm, wir gehen hoch in den Tempel, bevor die Massen da auflaufen.“

Elaine nahm meinen inken Arm und manövrierte uns beide zielsicher an dem Meer aus Betenden vorbei, hin zu einer gewaltigen Treppe, die hinauf zum Tempel führte. Auf dem Weg hinauf sprang uns der ein oder andere, außergewöhnlich freche Affe über den Weg, und als wir schließlich oben angekommen waren war ich ganz gut durhnässt. Nicht, wegen fehlender Kondition, eher wegen ungewohnt hoher Luftfeuchtigkeit. Obwohl. Kann ich das jetzt noch ungewohnt nennen…?

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Im Tempel angekommen war ich sehr berührt. Vor allem davon, wie freundlich alle zu sein schienen. Sowieso muss ich mal festhalten, dass mir in Malaysia bisher die mit Abstand freundlichsten Menschen untergekommen sind – und ohne hier kategorisieren zu wollen, sind das eben am allermeisten die Leute indischer Herkunft. Neutrale feststellung. Die lächeln IMMER zurück, mit den freundlichsten und wärmsten Gesichtern. Und diese Freude, gute Laune und grundsätzliche Freundlichkeit schien in den felsigen Tempelwänden festzuhängen und mir ganz ungefragt ein wohlig warmes Gefühl in Bauch und Herz zu zaubern.

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Hinduismus also. Ich wollte alles wissen. Und Elaine begann, alles zu erklären. Sie erzählte von den wichtigsten Göttern, den Gepflogenheiten, der Mentalität. Wir entzündeten jeweils ein Licht, dann wurden mir nacheinander Sandelholzpulver, Asche und ein weiteres rotes Pülverchen, dessen Herkunft mir leider wieder entfallen ist, auf die Stirn geschmiert. „Simba.“ dachte ich leise bei mir, verwarf den Gedanken aber schnell wider und konzentrierte mich stattdessen auf alledas, was gerase um mich herum passierte. Da wurden Opfergaben abgelegt und wieder abgeholt, Gebete gesungen und gesprochen, Kerzen und Räucherstäbchen entzündet, von links nach rechts getragen, wieder ausgepustet. Ich wollte alles verstehen, konnte es nur leider nicht. Aber das wohlige Gefühl im Bauch, das blieb.

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Als wir genug gesehen hatten und sich die riesige Gruppe Menschen vom Vorplatz gerade auf den Weg die Treppen hoch zum Tempel machte, schwebten Elaine und ich beseelt wieder zum Auto.

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„So. Jetzt Frühstück.“

Elaine brachte mich zu ihrem Lieblings-Café und erzählte während der Fahrt davon, weshalb sie gerade etwas Stress hatte. Am kommenden Tag, einem Montag, würde die Filmpremiere des ersten Filmes stattfinden, der ausschließlich in Malaysia und von Malaysiern produziert worden war. Produzent war ihr „Meister“, wie sie ihn nannte, Dhyan Vimal. Den könnt ihr ja mal googeln. Ich gebe wieder, was ich weiß: Er ist ein Erleuchteter und hat Schulen in Malaysia, Berlin, Chicago und irgendwo in Kanada. Er fungiert als eine Art „Lebenstrainer“, nur irgendwie spiritueller. Elaine selbst sagt, sie hat vor ihm mehr Respekt als vor ihren Eltern. Er ist nicht ganz Gott, aber so in die Richtung. Ehrfurcht. Das trifft es wohl. Sie ist unheimlich ehrfürchtig. Bilder vom Meister kleben in Elaines Portemonnaie und hinter ihrem Lenkrad im Auto, und wie sich herausstellen sollte auch überall in ihrer Wohnung, aber dazu später.

Na jedenfalls hatte sich zu jener Filmpremiere die amtierende Königin Malaysias höchtpersönlich angemeldet, sowie einige anderegroße, malaysische Stars (Miss Universe Malaysia, diverse Mitglieder der Königsfamilie, Schauspieler etc.) und – nicht zu vergessen – Schüler des Meisters aus aller Welt, zumeist erfolgreiche Geschäftsleute oder anderweitig einflussreiche Persönlichkeiten. Und jene Gala zur Filmpremiere wollte organisiert werden – von Elaine und Kollegen. Nun gut. Ich verstand ihren Stress.

Zum Frühstück (oder eher Brunch, es war mittlerweile halb zwölf) gab es unheimlich guten Kaffee und einen Bagel mit Avocado, angebratenen Pilzen und Rotkraut. Geil! Dann war es eigentlich an der Zeit für Elaine und mich, uns zu trennen, denn Elaine hatte noch einiges zu arbeiten. Doch es kam alles anders.

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„Ich hab um 3 einen Termin zur Maniküre. Kommste mit?“

„Joa, warum nicht? Ich hab heute nichts mehr vor. Kostet?“

„Fünf Euro.“

„Okay.“

Und so setzte mich Elaine auf dem Weg zum Büro an einem Einkaufzentrum ab, in welchem ich wieder mal völlig problemlos drei Stunden in einem Buchladen totschlug, bevor ich wieder eingesammelt wurde und wir zum Nagelstudio fuhren. Da wartete bereits eine Freundin und Kollegin von Elaine, ebenfalls verwickelt in die morgige Veranstaltung.

Die beiden unterhielten sich, und ich hörte nicht zu. Ich genoss meine Maniküre und träumte mich nach Bali oder wo auch immer hin, als Elaine mich plötzlich aufgeregt am Arm packte.

„KLARA! Wie lange bist du noch hier?“

„Äh – noch bis morgen, wieso?“

„Hast du schon irgendeinen Bus gebucht?“

„Nein, noch nicht.“ (Da kam mir mal wieder eine Last-Minute-Mentalität zugute)

„Wir brauchen noch ne Einweiserin für morgen abend. Willst du bei der Gala Einweiserin sein?“

„Ich hab weder Kleid noch hohe Schuhe.“

„Kriegen wir hin.“

„Ich muss im Hostel fragen, ob die noch ein Bett frei haben für morgen.“

„Du kannst bei mir schlafen.“

„Dann ja. Natürlich! Unheimlich gerne!“

„Deal!“

Und dann, liebe Freunde, ging der Wahnsinn los. Ich fasse zusammen:

16:00 Uhr: Wir fahren zu Elaine nach Hause und ich zwänge mich unter größter Anstrengung in ein bodenlanges, schwarzes Kleid ohne Elasthananteil in Größe XS. Ohne Atmen gehts. Schuhe passen leider nicht. Cardigan nicht vorhanden, doch für die Königin muss es bodenlang und langärmelig sein. Schmuck geht.

17:00 Uhr: Wir schauen in Elaines Büro vorbei.

17:30 Uhr: Elaine muss noch was in der Schule des Meisters vorbereiten. Ich besorge Bananen, Haferflocken und HAFERMILCH FREUNDE, HAFERMILCH!!! in einem nahe gelegenen Supermarkt.

18:30 Uhr: Elaine isst Abendessen. Für mich nicht nötig, ich habe gerade fünf der neu erstandenen Bananen verdrückt.

19:00 Uhr: Boxenstop in Elaines Wohnung. Plan schmieden. Ich brauche Hackenschuhe und Cardigan. Abflug zum Einkaufszentrum.

22:00 Uhr: Völlig erledigt taumele ich hinter einer noch immer überwältigend energetischen Elaine aus dem Einkaufszentrum hinaus, in der Hand eine H&M-Tüte mir unbequemen, schwarzen Hackenschuhen und einem schwarzen Überwurf. Kostenpunkt: 30€. Mein Herz blutet ein wenig, doch der Zweck heiligt an jenem Abend jedes Mittel.

22:30 Uhr: Ich sehe mittlerweile aus, als hätte mich ein Laster überfahren. Ich stürme in mein Hostel, werfe all mein Zeug in meinen Rucksack und checke einen Abend früher aus, als gedacht. Der Rezeptionist guckt mich an wie ein Auto, als ich verschwitzt um diese Zeit mit all meinen Sachen aus der Tür stolpere, um „Bei einem Freund“ zu übernachten. Will gar nicht wissen, was der von mir gedacht haben muss.

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23:30 Uhr: Duschen.

00:00 Uhr: Ich liege neben Elaine in ihrem Doppelbett und frage mich, was ich mir da eigentlich gerade eingebrockt habe. Das letzte, was ich sehe, bevor ich einschlafe, ist der Altar in einer Zimmerecke, der Grund dafür war, dass ich mich nur links vom Bett umziehen durfte. Auf dem Tisch stehen genau die Pülverchen, die mir am selben morgen auf die Stirn geschmiert worden waren, eingerahmt von Blumen und Bilder des Meisters in diversen Rahmen, Größen und Positionen.

„Schon seltsam.“ denke ich.

„Gute Nacht.“ sagt Elaine.

„Gute Nacht.“ sage ich. „Und danke.“

„Bedank dich nicht zu früh.“ sagt Elaine.

Dann schlafe ich ein.

3 Antworten auf „Kuala Lumpur Part II“

Voller Spannung lese ich fast jeden Tag deine interessanten Berichte. Toll was du alles erleben darfst. Liebe Grüße von mir und Michael.
Viel Spaß noch. Schreib weiter !!!

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