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Espoo, Part I: Ein Finne wollte Hochzeit machen…

… kennt ihr die Geschichte? Vermutlich nicht. Doch keine Sorge, dafür bin ich ja heute da, frisch und fröhlich zurück auf dem Blog und bereits im Training für neue Reisebeiträge in den kommenden sechs Monaten – doch dazu später mehr. Erst einmal soll es um meinen aktuellen Trip gehen, denn ich bin wieder – ihr ahnt es bereits – zurück in Heimat Nummer zwei: Finnland. Warum, wo, was und wie, lest ihr jetzt.

Juho und Johanna, ihres Zeichens zwei meiner besten Freunde und die vermutlich weltbesten Finnen, haben gestern geheiratet. Seit etwa eineinhalb Jahren stand für mich fest: Diese Hochzeit darf und wird nicht verpasst werden. Und so kam es, dass mich vorgestern, am Freitag Mittag, ein Ariberlin-Flieger von Tegel aus direkt nach Helsinki brachte – wo ich mich sofort nach erstmaligem Betreten des Flughafens angekommen fühlte. Witziger Weise gibt es einige Orte, an denen mich dasselbe Gefühl überkommt, ich glaube, meine „Heimat“ ist einfach etwas dezentralisiert.

Na jedenfalls schritt ich aus dem Gate heraus und am Ende einer langen Schlange wartender Menschen stand Heikki. Heikki ist Juhos Vater, damit quasi mein finnischer Adoptiv-Papa, und 2,05 Meter groß. Dieser stand also da, vor ihm wartende und ernst dreinblickende Chauffeure und Businessmänner mit iPads vor der Brust, auf denen in Großbuchstaben Namen leuchteten. Heikki hingegen hatte ein Pappschild in einer Hand, auf welches mein Name in schönster Kursivschrift mit Rahmen gedruckt worden war, und fuchtelte wild damit umher, als er mich hinter der Automatiktür auftauchen sah. Da soll sich nochmal einer nicht willkommen fühlen in Finnland. Wie gesagt. Ist eben wie nach Hause kommen.

Nach einer großen Umarmung und einiger freudiger Ausrufe ob des glücklichen Wiedersehens stiegen wir ins Auto und fuhren in die Wohnung von Juhos Eltern. Da stand bereits Eeva-Lisa, Juhos Mutter (und meine finnische Adoptiv-Mama, ihr erkennt das Schema) bereit, mit einer großen Portion veganer Nudeln Bolognese, frischem Brot, veganer Butter, einem kleinen Salat und Hausgemachter Marmelade. Und einem Kaffee mit Sojamilch. Hatte Sie „eben schnell“ für mich gemacht, und zwar WÄHREND sie dabei gewesen war, für die morgigen Festivitäten 50 Liter veganen Kartoffelsalats zuzubereiten. Hatte ich gesagt, dass ich mich hier immer sehr willkommen fühle…?

Als mein Mittag in meinem Bauch verschwunden und mein Rucksack in meinem Zimmer abgelegt worden war, fuhren Heikki und ich weiter zur Hochzeits-Location. Da wuselten Braut, Bräutigam, Brauteltern, Brautjungfern und Trauzeugen umher, deckten Tische ein, trugen Musikboxen von A nach B, falteten Platzkärtchen, hängten Schilder auf, verluden Bierpaletten. Und mittendrin klein Klara.

Nach kurzer und freudiger Begrüßung packte ich also mit an. Ich war von Anfang an begeistert davon, wie wunderschön alles aussah, und muss aus aktueller Sicht einmal sagen: Wenn es sowas wie die perfekte Hochzeit gibt, dann hat sie wohl gestern in Finnland stattgefunden. Aber dazu später mehr. Der Ort des Geschehens war jedenfalls ein kleines, hölzernes Landhaus im Nuuksio-Nationalpark, mitten im Wald, mitten im Nirgendwo, umgeben von nichts als Natur, grünen Wiesen, rauschenden Bäumen. Die Sonne schien, es waren 25 Grad bei leichtem Wind und Trauzeugen, Brautjungfern und ich bereiteten vor, was hoffentlich der schönste Tag im Leben zweier unserer besten Freunde werden sollte. Ich war so froh und dankbar, da sein zu dürfen, und dieses Gefühl hält bis heute an.

Irgendwann brauchen alle Abendbrot. Die Männer verschwanden in einem Auto, die Mädels in einem anderen, und übrig blieben Juho und ich mit dem Auftrag, Essen für uns zwei zu suchen und dabei bitte auch die Blumen abzuholen. Los ging die wilde Fahrt.

Juho war tierisch aufgeregt und gestresst, dementsprechend kaum ansprechbar. Ich regelte vom Beifahrersitz aus seine Bankgeschäfte (denn das hier ist Finnland, da geht das auch mit dem Smartphone aus einem Nadelwald heraus) und tätigte die noch nötigen Telefonate, während Juho uns nervös über Finnische Straßen manövrierte. Irgendwann legte ich sein Telefon weg und sah ihn ernst an. Ich hatte vor einem Jahr einen Auftrag bekommen und war fest entschlossen, den zu erfüllen.

„Juho.“

„Was denn?“

„Neben all dem Stress, den fehlenden Blumen, den noch offenen Organisationsfragen, dem Schlafmangel und dem Zeitdruck: Wie fühlst du dich deine Hochzeit betreffend?“

„Oh. Haben wir jetzt also dieses Gespräch?“

„Absolut.“

„Okay.“

„Also. Schieß los.“

„Alles ist in Ordnung Klara. Ich heirate meine beste Freundin. Ich kann mir nichts schöneres vorstellen, es gibt keinen anderen Menschen, mit dem ich mein Leben verbringen möchte. Ich glaube, ich war mir seit Jahren bei keiner Entscheidung mehr so sicher, wie bei dem Entschluss, morgen Johanna zu heiraten, und ich kann es kaum noch erwarten.“

So. Das war schonmal eine solide Aussage. Ich bohrte noch etwas tiefer nach, hatte in den vergangenen Jahren eine Liste an Fragen gesammelt, die zu stellen mir hin und wieder via Skype aufgetragen worden war. Die Antworten waren allesamt zufriedenstellend, und als wir auf den Parkplatz vorm Fastfoodrestaurant zum Stehen kamen, bemerkte ich feierlich, dass Juho jetzt guten Gewissens morgen heiraten könne. Darauf aßen wir Burger. Das heißt, Juho aß einen Burger, und ich einen veganen Wrap. Hesburger hat sich gemacht in den letzten Jahren.

Im Anschluss holten wir die Blumen ab. Ich bin da absolut kein Experte, kann also nur sagen, dass es sich um Nelken in Altrosa (ich bin eben ein Kind des Ostens, diese Blume kenne ich dann doch) und weißes Gedöns handelte. Sehr geschmackvoll, sehr passend zu der ansonsten schlichten, hellen, weiß-grauen Landhausdekoration. Mit jeder Minute, die verstrich, stieg meine Aufregung, während Juho einem Nervenzusammenbruch immer näher kam. Der wurde gottseidank abgewendet, und den Rest des Abends vollendeten wir, was Juho und Johanna so wunderbar geplant hatten.

Einige Stunden später war Juho noch immer unterwegs, Anzug abholen, Auto putzen, all diese Sachen, bei denen ich nicht mehr helfen konnte. Es war mittlerweile elf Uhr abends und ich saß mit Heikki bei einer Tasse Tee am Küchentisch und diskutierte über seinen Sohn, vor allem aber seine Rede für den kommenden Tag.

Ich würde ja gerne wiedergeben, was wir so besprachen, aber das ist dann doch etwas zu persönlich. Jedenfalls war das ganze sehr emotional. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn so große Männer weinen erschüttert mich das irgendwie immer bis ins Mark. Ich glaube aber, dass das Gespräch wichtig war. Und auch, wenn ich mich an dem Tag einige Male nutzlos gefühlt hatte, als andere Menschen um mich herum schwere Kisten trugen und ich etwas verloren nach meiner nächsten Aufgabe suchte, glaubte ich doch, als Konversationspartner für alle angespannten Beteiligten einen ganz soliden Beitrag zum Gelingen der geplanten Festivitäten geleistet zu haben.

Als ich schon im Bett lag, es war mittlerweile nach Mitternacht, tauchte plötzlich meine Adoptivschwester Salla auf. Sie war als – äh – Chefbrautjungfer ebenfalls den ganzen Tag unterwegs gewesen und hatte es erst vor einigen Minuten nach Hause geschafft. Jetzt stand sie in meiner Tür.

„Klara?“

„Ja?“

„Hab ich dich geweckt?“

„Nein. Was ist denn los?“

„Ich habe eine Bitte.“

„Na, immer raus damit!“

„Ich glaube, es würde Juho richtig freuen, wenn du morgen eine Rede hältst. Nur was kurzes, aber ich denke, dass das wichtig ist. Weder Juho noch Johanna rechnen damit, deswegen wäre es einfach eine schöne Überraschung. Kannst du das machen?“

Konnte ich das machen? NATÜRLICH konnte ich das machen! Wenn das abgebrochene deutsche Mädchen mit der großen Klappe irgendwas kann, dann wohl Reden halten. Also sagte ich zu, was mir prompt noch eine spätnächtliche Umarmung einbrachte. Und nachdem Saala beim Rausgehen das Licht wieder ausgeschaltet hatte, rollte ich mich in meine Decke und schrieb in meinem Köpfchen meine erste Hochzeitsrede.

 

4 Antworten auf „Espoo, Part I: Ein Finne wollte Hochzeit machen…“

Liebe klara,
seit langem einmal wieder auf deinen Blog geklickt und gleich wieder etwas schönes entdeckt! Freue mich auf die Fortsetzung.
Lg aus dem ösiland
Babsi

Babsi!
Wie schön, von dir zu lesen – und dann auch noch unter diesem Post, eine kleine online Finnland-Reunion 🙂
Ich freu mich!
Kuss aus der Hauptstadt,
Klara

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