Kategorien
Israel

Send me on my way: To Israel

Hallo und ein ganz wunderherzliches Willkommen zur nächsten Runde “Wo ist Klara?”-Israel Edition! Lehnen Sie sich zurück, machen Sie sich eine Tasse Tee oder Kaffee, vielleicht eine Schüssel Popcorn und kommen Sie mit auf ein Abenteuer in den nahen Osten, das gelobte Land, die Wiege der Menschheit, in mein Auslandssemester in Tel Aviv.

So Freunde. Jetzt aber mal im Ernst. Schön, dass ihr wieder dabei seid auf meinen Reisen – Es wäre ja alles nur halb so schön, wenn ich niemanden hätte, dem ich von meinen Erlebnissen erzählen könnte! In diesem Sinne geht es auch gleich los. Während ich diese Zeilen hier tippe sitze ich gerade im Flieger, in einer El-Al-Maschine von Berlin Schönefeld direkt zum Flughafen Ben Gurion. Es rüttelt ein wenig, vor meinem Fenster ist das unregelmäßige Schachbrettmuster deutscher Ackerflächen gerade einem milchigen Wolkenweiß gewichen. Links neben mir ist der Sitz frei, gleich darauf folgt ein älterer Herr, der gerade ein streng riechendes Käsesandwich verputzt. Alles in allem also eine ganz normale Flugreise könnte man sagen, sogar mit auffallend viel Beinfreiheit! Und ebenso auffallend wenig habe ich meine Kamera dabei. Verzeiht mir also dir unterirdische Bildqualität, merci und vielen Dank.

Der Weg hierher, liebe Freunde, der glich keinem der vielen Wege, die ich je zurücklegen musste, um endlich meinen Platz in einer dicht besetzten Boeing einnehmen zu dürfen. Deshalb dachte ich, ist er einer schriftlichen Anekdote wert – und hier sind wir nun.

Heute morgen klingelte um fünf Uhr mein Wecker. In meinem Zimmer lag nur noch das nötigste: Meine Bettwäsche, mein kleiner Rucksack, mein aufgeklappter Überseekoffer. Die Kisten und IKEA-Tüten, die sich nebst alledem beinahe bis unter die Decke stapelten, hatte mein Zwischenmieter Jannes bereits einige Tage zuvor bei mir abgestellt. Verschlafen schlurfte ich ins Bad, nahm meine einsame Zahnbürste aus meinem einsamen Zahnputzbecher und bereitete mich vor auf – ja, man kann es wohl so nennen – meinen Umzug nach Israel. Die nächsten zwei Stunden brachte ich damit zu, die letzten Dinge von A nach B zu räumen, noch einmal das Bad zu wischen, meinen Reiseproviant einzupacken, um dann schließlich mein Reisegepäck zuzuklappen und mit Leibeskräften von dem Sofa zu hiefen. Ob das wirklich 23 Kilo waren, wusste ich nicht. Aber ich bin ja eine Freundin kleinerer Risikos, also ging ich, mangels einer Waage, einfach mal davon aus, dass es so sein musste.

Um sieben Uhr fiel meine Wohnungstür hinter mir ins Schloss. Ich astete diesen, jetzt nicht mehr nur etwas, sondern verdammt, VERDAMMT schweren Koffer die zwei Stockwerke hinunter in den Innenhof, schmiss beim Vorbeirollen die Schlüssel in meinen Briefkasten und verabschiedete mich dann mit einer kurzen Drehung um die eigene Achse von meinem Haus und meiner Stadt und meinem Alltag. So rumpelte bald mein bleierner Koffer hinter mir über das Berliner Kopfsteinpflaster und ließ schon in den frühen Morgenstunden alle Anwohner meiner Straße wissen: Hier geht jemand auf Tournee.

Zwei Beinahe-Leistenbrüche und einen Beinahe-Bandscheibenvorfall später schaffte ich es – in der linken Hand einen Kaffee, in der Rechten den Handgriff meines Koffers – in der letzten Minute in meinen InterRegio nach Schönefeld. Hätte ich es mir aussuchen können, wäre ich von Tegel aus geflogen, aber man kann nunmal nicht alles haben. Sollte mir Recht sein. Der Zug war nicht sonderlich voll, ich ergatterte einen Platz mit Tischchen und genoss während der vierzigminütigen Fahrt meinen Kaffee, meinen mitgebrachten Haferbrei (ich bin ein Fuchs!) und den Ausblick auf mein geliebtes Berlin in der Morgensonne. Ich hab schon schlimmer gefrühstückt.

Am Flughafen angekommen waren es noch ziemlich genau drei Stunden bis zum Abflug. Und die sollte ich auch brauchen.

Nun, wie bereits erwähnt hatte ich einen Flug mit “Up” gebucht, der Billigfluggeselschaft von El-Al. El-Al wiederum ist die nationale Fluggesellschaft Israels und nimmt allein deshalb ihre Sicherheitschecks sehr, sehr, SEHR genau. Wenn man nun also an den Check-In Schaltern von El-Al ankommt, stehen da vier Polizisten mit schusssicherer Weste und Maschinengewehr, außerdem neun sauber aufgereihte Stehtische hinter einer Reihe Absperrbänder, vor der man sich anstellt. Irgendwann wird man freundlich von einem der israelischen Sicherheitsbeamten an einen der Tische gebeten, einem wird der Reisepass abgenommen – und dann, liebe Freunde, dann geht es los. Satte 45 Minuten lang legte ich mein Leben offen. Muslimische Länder sind den Israelis ja ein wenig suspekt, und leider hatte ich mich im letzten Jahr einige Zeit in Malaysia und Indonesien aufgehalten – beides Staaten, in denen es Orte gibt, die man aufgrund radikalislamistischen Terrors lieber nicht besuchen sollte. Außerdem hatte ich kein Rückflugticket und war für eine Masterstudentin “verdächtig jung”, wie mir bald mitgeteilt wurde. Tja. Wie man’s macht, macht man’s verkehrt. Also, auf ins Kreuzfeuer.

Wie lange war ich in Malaysia. Und in Indonesien. Habe ich Freunde da? Wie heißen die? Was machen die beruflich? Sind die da geboren? Wo wohnen die da? Stehe ich regelmäßig mit ihnen im Kontakt? Kann ich mal das Facebook-Profil zeigen? Kein Facebook? Warum habe ich kein Facebook? Wo werde ich wohnen, wenn ich in Israel ankomme? Eine Freundin? Wie heißt die Freundin? Wo wohnt die? Wie habe ich die kennengelernt? Könnte ich bitte mal E-Mails zeigen, die ich mit dieser Freundin ausgetauscht habe? An welcher Uni werde ich studieren? Habe ich Belege dafür? Könnte ich mich mal bitte an meiner deutschen Uniwebsite einloggen? Die E-Mails, die ich mit der Israelischen Uni ausgetauscht habe, könnte ich doch bitte auch mal zeigen. Und die Krankenversicherungsbelege. Was studiere ich eigentlich? Wie lange schon? Wie lange werde ich mich in Tel Aviv aufhalten? Wer zahlt für meinen Aufenthalt? Mein Vater? Warum tut er das? Als was arbeitet er? Und die Mutter? Habe ich gearbeitet? Wo? Als was? Werde ich in Israel arbeiten? Nein? Warum nicht? War ich mal in Jordanien, den Emiraten, Marrokko, Ägypten? Habe ich Freunde dort? Wurden mir Geschenke von Freunden mitgegeben?

Nein, das war noch nicht alles. Das war eine kleine Auswahl der Fragen, die ich sehr brav an einem der besagten neun Stehtische beantwortete. Dann wurde mir all mein Gepäck abgenommen und verschwand hinter einer Tür. Ich wurde gebeten, zu warten, mit nichts mehr als meinem Portemonnaie, meinem Handy und – dem Himmel sei Dank – meinen zwei Sandwiches in der Hand. Ich neige ja zu Nervositätshunger, außerdem musste ich ohne Lesematerial ja irgendwie die Wartezeit überbrücken, in der mein Gepäck auf Gott weiß was untersucht wurde. Hoffentlich haben sie mir das Kilo Schokolade gelassen, welches ich gestern noch eben als Bestechungsmittel besorgt habe.

Etwas über eine Stunde später war ich durch, offenbar als ungefährlich eingestuft. Ich muss ja mal sagen, dass bei all dem Gefrage und Kontrolliere alle überdurchschnittlich freundlich zu mir waren, sowas war ich von Sicherheitspersonal überhaupt nicht gewohnt. Mein Taschenkontrolleur, der mich essen sah, fragte, warum ich ihm nichts besorgt hätte, die mich verhörende junge Dame lachte immer sehr lieb zurück, wenn ich aus Leibeskräften unverdächtig grinste, und als Entschuldigung für die lange Wartezeit wurden mir am Check-In Schalter die drei Kilo Übergepäck, die mein Monsterkoffer offenbar hatte, nicht berechnet. Dreist kommt durch. Und wer dabei lächelt, sowieso.

Nun gut. Jetzt waren es nur noch mein Handgepäck, mein Reisepass, meine Bordkarte und ich. Beschwingt von so viel Freundlichkeit ging ich wippenden Schrittes zu der Handgepäckkontrolle mit der kürzesten Schlange, wühlte ordnungsgemäß meinen Laptop und meinen Zip-Beutel mit den Flüssigkeiten hervor, legte meine Armbanduhr ab und schwebte, ganz ohne zu piepen, durch den Metalldetektor. Aber irgendwie habe ich heute einen verdächtigen Look drauf, liebe Freunde, denn just nachdem ich meinen Laptop wiederverpackt hatte, bat mich eine ebenfalls sehr Freundliche Dame hinter einen Vorhang zu irgendeinem Test. Ich weiß nicht, ob sie auf Drogen oder Sprengstoff testen mit diesen Teststreifen, mit denen sie einen abwischen, aber das passierte mir nicht zum ersten Mal, folglich sehe ich entweder aus wie eine Bombenbauerin oder wie eine, die gerne mal nicht ganz legale Substanzen konsumiert. Ich vermute letzteres. Test war negative. Welch Überraschung.

Also gut. Die Handgepäckkontrolle ist typischerweise der letzte Sicherheitscheck beim Fliegen. Danach geht’s zum Gate, wo man in einer Wartehalle sitzt und darauf wartet, dass geboarded wird. Aber nicht, wenn man mit einer israelischen Fluggesellschaft nach Israel fliegt. Nein nein nein.

Hinter zwei weiteren Grenzpolizisten in voller Abschreckungs-Montur wartete eine weitere Passkontrolle und dann, ja, noch ein Handgepäck-Screening. Nochmal Laptop und Flüssigkeiten raus, nochmal durch den Metalldetektor, nochmal abtasten lassen, alles wieder einpacken, dann zum Ausgang.

Als ich diese ganze Prozedur hinter mir hatte waren von den drei Stunden, welche mir bei Ankunft in Schönefeld geblieben waren, noch 45 Minuten übrig, und 30 Minuten vor Abflug wird ja bekanntlich geboarded. So schaffte ich noch genau einen Zeitungsartikel, bevor ich in der Schlange zur letzten Pass- und Bordkartenkontrolle stand. In der Gangway zum Flieger dann NOCH EIN sicherheitsbeamter, der jeden mit Nicht-Israelischem Pass noch einmal rausfischte und das Handgepäck durchforstete. Auch er sehr nett, aber langsam war es mir doch etwas viel. Außerdem liegt mir die strukturierte Ordnung, die immer in jedem meiner Gepäckstücke herrscht, doch sehr am Herzen.

Zehn Meter weiter, am Eingang zum Flieger, noch ein Grenzpolizist mit Maschinengewehr und Weste. Langsam wurde mir doch etwas mulmig zumute. Doch Gottseidank wartete gleich hinter ihm noch eine dieser freundlichen Flugbegleiterinnen, die mich mit einem hellen “Boker Tov!” (Guten Morgen!) begrüßte und mir zur Feier des bevorstehenden Festes Rosh Hashanah einen Tischkalender in die Hand drückte. Ich suchte und fand meinen Sitz, ließ mich fallen, und dachte: “Krasser Scheiß, du fliegst nach Israel.”

 

 

Man könnte meinen, die Geschichte der einzigartigen Sicherheitsvorkehrungen endet hier. Tut sie aber nicht, nein nein! Denn während des Verladens und des gesamten Weges über das Rollfeld bis hin zur Startbahn begleitete uns, als wäre er an unser Heck gekettet, einer dieser gepanzerten Polizeiwagen mit Wasserwerfer oben drauf. Damit sich auch jah niemand so James-Bond-mäßig in letzter Sekunde durch einen beherzten Sprung aufs Fahrwerk unerlaubt Zutritt zur Maschine verschafft. Wilde Zeiten Freunde, wilde Zeiten.

In der Luft sind wir nun allein. Ich sehe wenig mehr als Weiß und Blau und die hebräischen Schriftzeichen überall auf Sitzen, Karten und Bildschirmen. Israel ist ein absolut sicheres Land und ihr seid alle gut damit beraten, meinen Monaten dort genau so unbesorgt entgegenzusehen wie ich das tue. Aber das Land ist nunmal im Krieg und wahrlich nicht jedermanns Freund, das kann man zwar gut verdrängen, aber so richtig vergessen kann man es nicht. Das ist was ganz neues hier, und es wird großartig. Versprochen. Ich freu mich drauf.

Kurzer Nachtrag:

Ich bin heile in den dichten Dunstschwaden, die sich so typisch über den Nahen Osten ziehen, gelandet, und zwar mit bester Aussicht, Bedrich Smetanas „Die Moldau“ auf den Ohren und einen breiten Grinsen im Gesicht. Ein Fahrer hat mich vom lauten und heißen Flughafen (30 Grad Clesius, sehr schwül) durch die Rush Hour zu Carmi gefahren, bei der ich solange wohnen darf und werde, bis ich eine eigene Unterkunft näher bei der Uni gefunden habe. Von ihrer Dachterasse aus habe ich auf Tel Aviv geguckt, und auf’s Meer, da habe ich verstanden, dass ich hier bin, in Israel, und dass das gut ist. Zum Abendessen im Restaurant an der Promenade gab es ein für Israel ganz typisches Gericht: Shakshuka, natürlich vegan. Denn vegan ist hier super einfach! Und dazu einige Lektionen in Hebräisch. Macht euch auf was gefasst, liebe Freunde. Dieses Jahr wird der Knaller.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert