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Tel Aviv: Angst hat Neil Armstrong nicht ins All gebracht

So. Gute vierundzwanzig Stunden sind seit meiner Ankunft im heiligen Land vergangen, und was soll ich sagen: Ich bin verliebt. So wie auch beim echten Verliebtsein bin ich mir der Tatsache bewusst, dass das kein Dauerzustand sein kann, aber aktuell genieße ich es einfach so, wie es ist. Erster Eindruck: Israel ist wunderschön, und hier läuft alles viel besser, als ich es jemals hätte erwarten können.

Hier in Tel Aviv ist es Aufgrund der Nähe zum Meer ziemlich schwül. Doch schwüle 30 Grad hier unterscheiden sich kaum von schwülen 30 Grad in Deutschland, nur, dass hier eben alles klimatisiert und auf Wärme ausgerichtet ist. Wenn überhaupt, dann ist Sommerwetter in Israel eher erträglicher als in Berlin.

Ich wohne bei Carmi. Carmi ist eine langjährige Freundin von Inge (deren Namen mittlerweile doch allen hier ein Begriff sein sollte), die ich schon einige Male in Berlin treffen durfte und die mir, als ich ihr von meinem Auslandssemester erzählte, sofort ihr Gästezimmer als Bleibe anbot. Ich dürfe (und würde!) auch die ganze Zeit über hier bleiben, nur dauert es von hier aus zur Uni morgens in der Rush Hour mit Muss 1.5 Stunden, und eine solche Anfahrt möchte ich doch lieber vermeiden. Deshalb bin ich auch jetzt schon hier: Die Uni startet erst am 16. Oktober, aber ich wollte einfach noch ein wenig das Land genießen und – das vor allen Dingen – eine Wohnung finden. Das ist von Deutschland aus schier unmöglich. Bis es soweit ist, bewohne ich hier ein Zimmer in einer wunderbaren Wohnung mit einer Dachterasse, von der aus ich das Mittelmeer sehen kann, einem Klavier, genug Kaffee und reichlich Frischobst im Kühschrank. Selbst deutsches Fernsehen ist vorhanden, doch davon werde ich wohl eher weniger Gebrauch machen.

Gestern Abend hat die liebe Carmi mich zum Essen eingeladen. Das ist ja wenn man so vegan lebt nicht immer einfach, doch auch hier ließ mich Israel nicht im Stich. Das veganste Land der Welt (ja, wirklich!) hat natürlich gut für Menschen wie mich vorgesorgt, und der „Vegan Friendly“-Aufkleber an der Eingangstür zum Restaurant ließ mein Herz gleich ein bisschen höher schlagen. So blieb auch mir typisch israelisches Essen nicht verwehrt: Shakshuka, eigentlich pochierte Eier in Tomatensoße, gab es hier auch in tierfreier Variante. Und so saß ich gestern Abend mit Carmi direkt an der Promenade, Shakshuka essend, Eistee schlürfend und warmes Pita-Brot in Tahin dippend draußen auf der Terrasse eines Restaurants in Tel Aviv und freute mir ein Loch ins Knie, um mich hier mal meines Vaters Alltagsvokabular zu bedienen.

Heute morgen war ich verabredet. Tal, ein lieber Kommilitone und Freund von mir aus Berlin ist amerikanischer Jude und ebenfalls Israeli und arbeitet gerade hier in Tel Aviv, während er seine Masterarbeit schreibt. Er hat schon mal drei Jahre lang in Israel gewohnt, wir kennen uns aber von unserem Studium in Berlin, denn da wohnt Tal jetzt mit seiner deutschen Frau. Also, nicht genau jetzt, denn jetzt gerade ist er ja hier, weshalb wir uns heute morgen in Tel Aviv trafen, und damit zurück zur Story.

Ab jetzt bis Sonntag ist hier alles dicht. Es sind die hohen Feiertage des Judentums, Rosh Hashanah, und da geht hier nichts mehr, auch kein öffentlicher Personennahverkehr. Carmi ist in dieser Zeit mit ihrer Familie unterwegs und ich bin allein zu Hause, was aber ohne weitere Vorkehrungen dazu geführt hätte, dass ich drei Tage lang mit Spaziergängen zum Strand und Sonnenbädern auf der Dachterrasse hätte füllen müssen. Das mag jetzt nicht für jeden unangenehm klingen, aber ich bin ja eher so für Abenteuer. Deshalb war der Treffpunkt von Tal und mir eine Autovermietung. Und da Tal keinen Führerschein hat, der in diesem gelobten Land hier anerkannt wird, dürft ihr drei Mal raten, wer ab heute offiziell als Autofahrer am israelischen Straßenverkehr teilnimmt. Korrekt. Das bin dann wohl ich.

Wir sammelten also unseren kleinen Micra ein (dem Himmel sei Dank, mit einem größeren Modell wäre das hier ein Albtraum geworden) und suchten erstmal einen Parkplatz. Für heute waren nur praktische Dinge geplant, solange die Geschäfte noch geöffnet waren: Eine SIM-Karte für Klara finden, genug Nahrunsmittel für die kommenden Tage besorgen, israelischen Hummus essen. Und das taten wir.

Das Essen hier ist teuer. Punkt. Da kann man wenig schönreden. Zwei Salatköpfe und 500g Weintrauben kosteten mich heute 45 Schekel, das entspricht 11,25€. Gut, Salat ist auch besonders teuer, aber ihr bekommt eine Idee. Ein Liter Sojamilch: 3€. Ein Kilo Äpfel: 5€. 500g Haferflocken: 3,50€. Ihr wisst, was ich meine. Billig ist eben anders. Trotzdem deckten wir uns ein, unter anderem mit 500g-Bechern Hummus, die mich doch sehr faszinierten. Auch ein Kilo ist hier keine Seltenheit. EIN KILO HUMMUS! Also, verhungern werde ich hier nicht. Eher verbrennen, die Sonne sengt doch sehr, und ist lauf Carmi das einzige, wovor man sich fürchten muss, wenn man nach Israel reist. Jedenfalls fanden wir genug Essen für die kommenden Feiertage und zum Mittag gab es himmlischen Hummus mit himmlisch flauschig-weichem Pitabrot. Ich will hier nicht wie ein Hummus-Snob klingen, aber ich weiß gar nicht, ob man das, was wir so in Deutschland essen, als Hummus verkaufen dürfen sollte, denn es ist – ja, auch lecker! – aber schlichtweg ein anderes Produkt. Genau so wie frische Datteln. Die haben wirklich denkbar wenig mit der getrockneten Variante zu tun, die wir in unseren heimischen Supermärkten so angeboten bekommen. Allein kulinarisch scheint der Nahe Osten eine Reise wert zu sein.

Kurz noch ein Wort zum Straßenverkehr. Der ist nicht umsonst berüchtigt, geprägt von lautem Hupen, schreien, wilden Schlenkern, grundsätzlicher Rücksichtslosigkeit und engen Straßen. Jetzt könnte man ja sagen, dass es keine so gute Idee sei, als 22-jährige gleich am ersten Tag im fremden Land in ein Auto zu steigen und durch den Großstadtverkehr zu cruisen. Da würden sicher auch einige Menschen zustimmen. Die Sache ist nur die: In zwei Wochen wäre ich hier auch nicht besser gefahren, und in vier Wochen auch nicht. Außerdem kann es kein so großes Hexenwerk sein, schließlich fährt hier quasi jeder Auto, und auch Fahranfänger gibt es hier, die sich durch dieses Abenteuer manövrieren müssen. Vor allem aber hätte ich ohne Auto die Stadt nicht verlassen können, oder auch nur die nahe Umgebung des Hauses. Jetzt fahren wir morgen das tote Meer angucken. Und Jerusalem. Ein kleiner Roadtrip durch die Wiege der Menschheit, sozusagen. Und da nehme ich die Autofahrt doch gerne in Kauf. Sicher hatte ich heute Angst. Ziemlich sogar. Aber noch größere Angst als vor dem israelischen Stadtverkehr habe ich davor, tolle Erlebnisse zu verpassen, weil ich Angst habe. Deshalb bin ich einfach mal losgefahren. Und bis jetzt lief es ganz gut.

In diesem Sinne, liebe Freunde! Das Motto für die kommenden Tage für euch und mich sollte also sein: Angst haben, und einfach mal trotzdem machen und sehen, was passiert!

Herzlichster Gruß von der staubigen Mittelmeerküste!

2 Antworten auf „Tel Aviv: Angst hat Neil Armstrong nicht ins All gebracht“

Eine interessante Zeit und : einfach nicht schneller fahren, als der Schutzengel fliegen kannLiebe Grüße Katrin Winkler-Hindricks

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