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Tel Aviv: Alltag im gelobten Land

So. Nach meiner Rückkehr vom Roadtrip wurde es kurz still hier auf dem Blog. Das war dem Umstand geschuldet, dass jetzt, man soll es ja kaum glauben, langsam der Alltag Einzug hält, oder zumindest sowas ähnliches. Fangen wir aber von vorne an.

Am Samstag nach unserer Rückkehr stand uns noch immer der kleine Micra zur Verfügung. Also sackte ich Tal ein und wir fuhren zum Tel Aviv Museum of Art. Das hatte schon lange vor meiner Ankunft hier auf meiner Liste gestanden, und wenn wir nun schonmal dabei waren, Dinge von meiner Bucketlist abzuarbeiten, konnten wir ja auch einfach gleich dabei bleiben.

Das Tel Aviv Museum of Art ist das wohl europäischste Museum hier in Israel. In einem wunderschönen, modernen Bau treffen klassische Impresisonisten und Größen aus dem 19. Jahrhundert auf zeitgenössische Kunst, die ich ja bekanntermaßen ganz besonders liebe. Natürlich hingen da auch die ubiquitären Chagall-Bilder, über die ich mich ganz besonders freute, hatte ich doch erst vor kurzem zusammen mit Inge in Berlin eine Lesung anlässlich Marc Chagalls 130stem Geburtstag besucht. Na jedenfalls schlichen wir durch die klimatisierten Hallen vorbei an van Goghs und Renoirs, Picassos und Ernsts, Rothkos und Liebermanns. Und mir ging das Herz auf, was auch sonst. Hier und da legten wir mal eine Pause ein, um die Geschichten hinter einigen der abstrakten Skulpturen zu erdenken. „Hier haben sie gerade im Künstleratelier die Belüftungsschächte ausgetauscht, als das Metall mit einem lauten Knall auf den Boden fiel. Und der Künstler rief: ‚Halt! Lasst alles stehen und liegen! Das ist es! Die Muse, sie hat mich geküsst! Es ist – es ist – perfekt!“ Ein bisschen Spaß bei der Kunstbetrachtung muss auch mal sein.

Highlight des Tages war allerdings die russische Dame an der Garderobe, die stur lediglich Tal unsere Rucksäcke in den Abstellraum und wieder zurück tragen ließ, schließlich war er hier der Mann, und das Ganze damit seine Aufgabe. So. Das ist doch mal die Art konservativer Konstanz, die einem nur noch selten unterkommt.

Am nächsten Morgen wurde das Auto ohne größere Zwischenfälle abgeliefert. Die Menschen waren nach vier langen Feiertagen wieder auf der Straße, denn es war Sonntag, das israelische Äquivalent zu Montag, also hieß es: „Schaffe schaffe, Häusle baue!“ oder so ähnlich. Ich nahm den Bus zurück zu Carmis Wohnung. Busfahrten sind ja hier so eine Sache. Hin und wieder gibt es ja doch mal einen terroristischen Anschlag, und gar nicht mal so selten sind Busse das Ziel. Deshalb wurde mir dieser wohl gemeinte Rat mit auf den Weg gegeben: „Der Bus kann explodieren, während du neben ihm auf dem Bürgersteig stehst, also kannst du auch genauso gut darin fahren.“ Und da ich gut gemeinte Ratschläge von Einheimischen immer wertzuschätzen gelernt habe, fahre ich hier fleißig mit dem Bus.

In den Tagen darauf, also in dieser Woche, habe ich wieder zu arbeiten begonnen. Meinen Werkstudentenjob in Deutschland kann ich vom Computer aus erledigen und arbeite dementsprechend am Küchentisch im kühlen Wind der Klimaanlage oder auf der Dachterasse mit Blick auf’s Meer, es gibt schlimmere Orte zum Arbeiten. Wenn es mir zu viel wird, gehe ich am Strand spazieren oder Baden, zum Wasser dauert es genau drei Minuten zu Fuß, das Mittelmeer ist klar und angenehm warm. Oder kühl, je nachdem, wie man es betrachtet. In jedem Falle hat es eine angenhme Temperatur.

Außerdem habe ich mit vorgestern mit einer Freundin getroffen, mit der ich bereits seit über einem Jahr online Kontakt pflege – ähnliche Krankheit wie ich, ebenfalls gerne Solo mit Rucksack in der Weltgeschichte unterwegs, auch vegan. Sie hat mir die wichtigsten Straßen in Tel Aviv erklärt, mit den arabischen Markt gezeigt, genau so wie einige Bioläden und einen rein veganen Supermarkt – ja, die gibt es auch hier. So entsteht langsam aber sicher eine Gruppe aus Menschen, die ich hier kenne, und die ich via Textnachricht mit Übersetzungsaufgaben bombardieren kann, mein Hebräisch lässt ja doch noch sehr zu wünschen übrig, auch, wenn ich fleißig daran arbeite.

Den größten Teil meiner Zeit nimmt aktuell die Wohnungssuche in Anspruch. Das ist nun wirklich kein Zuckerschlecken, so viel sei mal gesagt. Ich bin geografisch dadurch eingeschränkt, dass ich mich ja jeden Morgen durch den Tel Aviver Berufsverkehr nach Herzliya zur Uni manövrieren müssen werde, die Nähe zu einer entsprechenden Bus- oder Zuglinie wäre deshalb ganz hilfreich. Außerdem lässt mein studentisches Budget einfach nicht alles zu, und die Tatsache, dass ich keine Möbel habe, verkompliziert das Ganze noch weiter. Da der Wohnungsmarkt hier in etwa so aussieht wie der in Berlin – desaströs – ist die Wohnungssuche mal eben zu meinem Fulltimejob geworden. Hatte ich erwähnt, dass ich das Ganze (natürlich mit freundlicher Unterstützung von Freunden und Google) auf Hebräisch meistere? Nein? Nun, so ist es. Das macht die Sache natürlich auch nicht gerade einfacher. Kurzum: Ich bin gut beschäftigt. Drückt mir mal alle die Daumen, damit ich möglichst bald noch einen Pappkarton finde, aus dem meine Beine des Nachts nicht weiter als bis zu den Knien herausgucken. Danke.

Und mit diesen positiven Gedanken schließe ich hier!

Nein, lieber nicht. Versuchen wir doch nochmal ein anderes Ende zu finden. Eventuell ein bisschen poetischer als meine Beschwerde über die fehlende Unterkunft, die ja doch irgendwie Jammern auf hohem Niveau ist, schließlich bin ich ja nicht obdachlos, wie manch anderer Austauschstudent. Also.

Gestern abend war ich am Strand spazieren. Ich hatte meine Schuhe in der Hand und watete durch die Wellen. Die Strömung hatte an diesem Tag eine neachtliche Menge leerer Muscheln an den Strand gespült, weshalb das sonst so vertraute Meeresrauschen heute von einem rasselartigen Klappern begleitet wurde – eben das Geräusch, das Muscheln machen, wenn sie aufeinanderprasseln. Links von mir reihte sich bis an den Horizont ein weißes Hochhaus an das nächste, rechts von mir tauchte die Abendsonne das Wasser in ein sattes Orangerot, ich hörte Musik. Es waren noch etw 25 Grad, ein leichter Wind strich über den Sand, und in mir machte sich nichts als eine tiefe Zufriedenheit breit. Ja, ich hatte keine Wohnung. Ich hatte keine Ahnung, wie es in der Uni werden würde, wie mein Semester hier werden würde, was noch so auf mich wartete. Aber zufrieden war ich trotzdem. Denn besser, als jeden Morgen in einem Alltag aufzuwachen, der mich nicht mehr überrascht, war das hier allemale.

Und außerdem war ich am Meer.

3 Antworten auf „Tel Aviv: Alltag im gelobten Land“

Hallo Klara,
heute – endlich – bin ich soweit von einer Erkältung genesen, dass ich denken konnte „Wo ist Klara?“ Gedacht >> getan >> und schon hatte ich eine ganze Weile zu tun, um wieder auf dem neuesten Stand zu sein. Wie schön, dass Du so gut angekommen bist – da muss es mit der Wohnung ja auch klappen. Es hat mir Riesenspaß gemacht Dir zu folgen: tolle Bilder und lockerer Text- das reinste Vergnügen. Wüste ist übrigens eine Landschaft, die mich auch sehr berührt. Seit dem wir das erste mal eher zufällig im Death Valey waren haben wir immer wieder Wüsten bewusst in unsere Reisepläne eingebaut – diese Stille, das Licht, die Weite, die Felsformationen und das Schattenspiel bei Sonnenauf- und untergang einfach großartig.
Ich drück Dir die Daumen für die Wohnung
Herzlichst Christiane

Ich habe den weiteren Verlauf deines Aufenthalts mit großem Interesse gelesen und bin wie immer hellauf begeistert. Auch sehe ich mir die Fotoserie sehr interessiert an. Hoffentlich findest du bald eine passende Wohnung und damit ein wenig mehr Sicherheit für die verbleibende Studienzeit. Du siehst also wir sind auf dem Laufenden. Liebe Grüße aus Jatznick Oma u. Opa

Ich schon wieder! Es ist einfach superschön, das alles zu lesen und die Fotos zu betrachten… Ich wünsche Dir von Herzen, dass du bald eine Unterkunft findest, die deinen geringen Ansprüchen genügt.Du hast mit deiner Einstellung vollkommen Recht… Ich freue mich auf deinen nächsten Bericht und wünsche dir eine wunderschöne Zeit P.s.in der Galerie wäre ich gerne dabei gewesen!!!

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