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Cambodia

Phnom Penh Part II

Der Tag gestern war anstrengend. Eher auf emotionale als auf körperliche Weise würde ich sagen, aber am Ende ist das sowieso egal, denn das Ergebnis war dasselbe: Ich war müde. Aber gelohnt hat es sich. Ich starte mal.

Nach meinem gewohnten Frühstück bestehend aus Haferflocken, Banane, Sojamilch und – ganz wichtig – Kaffee sollte es los gehen: Ins Tuol-Sleng-Genozid-Museum. Klingt nicht besonders freudig, ich weiß. War es auch nicht. Für alle, die in der Schule genau so wenig über die Geschichte Kambodschas unterrichtet wurden wie ich, hier eine kurze Erläuterung dazu, was das Tuol Sleng eigentlich ist, beziehungsweise was das S-21, wie es früher hieß, war.
Von 1975 bis 1978 wurde Kambodscha von den Roten Khmer, einer kommunistischen Guerillabewegung, regiert. Vision der Roten Khmer oder viel mehr ihres Führers Pol Pot war ein komplett neuer, kommunistisch-sozialistischer Staat. Die Bildungselite Kambodschas wurde komplett zerschlagen, Stadtbewohner auf abgelegene Landflächen vertrieben, Eigentum verboten. Es wurde das Jahr null gezählt, und jeder Mensch sollte nichts anderes tun als Landwirtschaft zu betreiben, um Kambodscha zu einem Selbstversorgerstaat zu machen. Gegessen wurde zwei mal täglich in Gemeinschaftsküchen, wer privat aß wurde hingerichtet. Sowieso wurde schnell und ohne Verfahren hingerichtet. Wer eine Brille trug, lesen konnte, studiert hatte, religiös war, eine Fremdsprache sprach oder weiche Hände hatte (ja, das reichte aus), wurde hingerichtet. Inklusive ALLER Familienmitglieder, damit am Ende niemand übrig blieb, der irgendwann hätte Rachepläne schmieden können. In den knapp 4 Jahren Ihrer Herrschaft ermordeten die Roten Khmer so rund 2 Millionen Kambodschaner, also ein viertel der Landesbevölkerung. Ein Teil wurde aufgrund der eben erwähnten Regimeuntreue oder -gefährdung hingerichtet, ein anderer Starb an Erschöpfung und Unterernährung. auf dem Land. So.
Tuol Sleng war ein Foltergefängnis mitten in Phnom Penh. Damals waren ohnehin alle Menschen aus den Städten vertrieben worden, und so diente inmitten der kambodschanischen Hauptstadt eine alte Oberschule als – ich wage es kaum zu schreiben – KZ. Ja, doch. Ich habe in meinem Leben viele ehemalige KZs gesehen und kann sagen, dass Tuol Sleng ziemlich genau so aussah. Frauen, Männer, Kinder wurden in Lastwagen angeliefert, gefoltert, zu falschen Geständnissen gezwungen und – aufs Tötungsfeld gebracht. Aber dazu später mehr.

Zurück zu meinem Tag. Bald saßen also Esther und ich zusammen mit Shoshana (schreibt man das so?!), einer Amerikanerin auf Tournee, die sich uns kurzfristig angeschlossen hatte, im Tuktuk gen Tuol Sleng. Es war warm wie immer, und nach einer 20-minütigen Fahrt waren wir da, legten jeder 5US$ auf den Tisch, hängten uns unsere Audioguides um den Hals und los gings. Und es war verstörend.

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Das Museum sieht heute so friedlich aus. Im Innenhof blühen viele, viele Obstbäume, oben scheint die Sonne, Touristen wandern auf den Wegen umher. Aber wenn man diese Geschichten hört, sich in die Folterräume stellt, sich die Bilder der Gefangenen anguckt und dabei der Stime aus dem Audioguide lauscht, bekommt man doch ein ganz, ganz komisches, beklemmendes Gefuehl.

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Knappe zwei Stunden dauerte es, bis wir drei uns durch das Museum gearbeitet und danach die Eindruecke ausfuehrlich miteinander besprochen hatten. Super seltsam fand ich, dass am Ende der Fuehrung zwei ganz besondere Gaeste sassen: Zwei der zwoelf S21-Ueberlebenden, die Ihre Buecher signierten und an den Man brachten, und sich bei der Gelegenheit auch gleich noch mit den Touristen ablichten lassen. Das war dann doch sehr skurril. Aber das ist ja vieles hier.

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Der Tuktukfahrer hatte mal wieder vor dem Tor auf uns gewartet. Er schlief.

Tuktukfahrer aufgeweckt ging es weiter, eine halbe Stunde Fahrt im Tuktuk zu den sogenannten Killing Fields – den Toetungsfeldern. Auf dem Weg ueberkam uns der Hunger, und da wir uns alle drei schon gefragt hatten, was diese Bananenblattpaketchen auf dem Grill waren, die in Phnom Penh an so vielen Stellen angeboten wurden, hielten wir als wir daran vorbeifuhren an einer dieser Stellen an und kauften zwei der Paeckchen. Es war Klebereis mit Kokos und Banane, wie sich herausstellte, vegan, warm, suess, lecker. Auf gar keinen Fall verpassen, solltet ihr mal hier unten unterwegs sein. Grosse Empfehlung.

Einige Minuten spaeter kamen wir an den Killing Fields an. Mann. Was soll ich dazu sagen.

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Im Groben sind die Killing Fields heute tatsaechlich wenig mehr als ein Feld, bestueckt mit Wegen und Feldern, einigen wenigen Gebaeuden und einem riesigen Denkmal in der Mitte. Was sie mal waren, koennt ihr euch bei dem Namen vielleicht denken. Waehrend S21 nur dazu gedacht war, Informationen und Gestaendnisse aus den vermeintlichen Regimegegnern herauszufoltern, waren die Killing Fields die Endstation fuer beinahe jeden Gefangenen. Es gibt nur 12 dokumentierte Ueberlebende aus S21, der Rest landete irgendwann hier. Auf den Killing Fields. Und wurde getoetet. Erschlagen oder gekoepft, um Munition zu sparen und um weniger Laerm zu machen. Einer nach dem anderen. Auf den Killing Fields lebte niemand laenger als 48 Stunden. Aber seht euch die Bilder lieber selbst an. Ich will all das gruselige Zeug, das ich gelesen habe, hier nicht nochmal wiedergeben muessen.

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Was mich an der Sache fast am Meisten schockiert hat, ist, dass Pol Pot nie so richtig fuer seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wurde. Nachdem die Roten Khmer  1978 von kambodschanischen Widerstaendlern und vietnamesischen Truppen gestuerzt worden waren, wurden sie von Europa und den USA noch immer als die offiziellen Staatsfuehrer betrachtet, bekamen Sitze in der UN und erhielten monetaere Hilfe. NACHDEM sie gestuerzt worden waren. NACHDEM die Morde aufgedeckt wurden. Nun ja. 1997 wurde Pol Pot schliesslich zu lebenslanger Haft verurteilt, nachdem er nach dem Krieg neu geheiratet und noch einige Kinder bekommen hatte. 1998 beging er vermutlich Selbstmord.

Nach all dieser schweren Kost brauchten wir drei Reisende erstmal was in den Magen, und so gab es fuer mich wie so oft gebratenen Reis mit Gemuese. Das ist immer ein sicheres Gericht, und wird auch irgendwie nicht langweilig. Also, zumindest noch nicht.

Viel passierte dann gestern nicht mehr. Abends ging es nochmal los, einen in der Nacht beschienenen Tempel Wat Phnom begucken und Falafel-Wraps essen. Soshana hatten wir gegen Erica getauscht, eine Amerikanerin, die gerade in Vietnam englisch unterrichtet und auf Visa-Run unterwegs war. Auch sehr nette Gesellschaft. Wie eigentlich jeder hier. Definitiv der groesste Vorteil am Reisen, keine Frage.

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Heute bin ich in Sihanoukville gelandet. Wie wo was warum gibt es dann beim naechsten Mal zu lesen. Und bis dahin: Gehabt euch wohl!

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