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Berlin: US-Wahlparty

In den vergangenen Tagen hat sich mein Glückskindstum mal wieder von seiner besten Seite gezeigt. Hier also die genaue Backgroundstory zu den Erlebnissen am Abend der US-Wahlen.

Am Montagabend war ich mit einem lieben Freund und Kommilitonen aus Wernigerode zum Abendessen verabredet. Der war nämlich geschäftlich nach Berlin gekommen, weil er am Abend der US-Wahlen hier zu tun haben würde, und da bot sich ein Wiedersehen in einem der vielen schönen Etablissements hier in der Hauptstadt doch sehr an.

Und so kam es also, dass ich am Montagabend dieser Woche im SOY am Rosa-Luxemburg-Platz saß, und gerade ein Knäuel gedünsteter Udonnudeln mithilfe zweier Stäbchen aus dem Bambustopf vor mir in meinen Mund beförderte, als mir mein Gegenüber folgende frage stellte:

„Was machste denn morgen abend?“

Nun. Wohl wissend, dass ER auf die offizielle Veranstaltung der amerikanischen Botschaft eingeladen worden war und meine – zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal richtig existenten – Pläne da niemals mithalten könnten, zuckte ich mit den Schultern.

„Uaisch nischt“ die Udonnudeln versperrten mir den Weg zu gekonnterer Artikulation „irgendwo Public Viewing oder so, hier gibts ja einiges…“

Ich kaute meine Nudeln auf. Stille. Und dann der Satz, der dazu führte, dass die kommenden 48h mal wieder ein Intermezzo verrückter Ereignisse werden sollten, wieder ein Abenteuer nach meinem Geschmack, wieder was für die Memoiren der Klara:

„Willste mit?“

Da hatte mir dieses Schlitzohr tatsächlich über drei Umwege mehr oder minder (eher minder als mehr, um ehrlich zu sein) offiziell einen Eintrag auf der Gästeliste zu dieser Veranstaltung besorgt. Und so stieg ich am Abend des 08.11. aus einem Taxi vor der alten Kommandatur, dem Berliner Sitz der Bertelsmann-Stiftung, direkt an der Spree, Adresse: Unter den Linden 1. An der Straße positionierte Strahler tauchten das gesamte Gebäude in blaues Licht und malten den Schriftzug „USA – Amerika wählt – Die Party“ an die Fassade, gefolgt von den Logos der drei Hauptsponsoren: CNN, n-tv und der Stern.

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Wir mogelten uns also über den roten Teppich, schafften es an der Fotowand vorbei, ohne abgelichtet zu werden (wer inoffiziell Gast ist sollte lieber nicht auf offiziellen Lichtbildern auftauchen), bekamen unsere Bändchen und schlüpften dann in das, was ich als die Karrikatur eines übermäßig patriotischen Amerikas am vierten Juli beschreiben würde. Alles war blau, rot und weiß, Luftballons, Snacks, Beleuchtung. Am Ende der Treppe grinsten uns zwei Pappaufsteller von Donald Trump und Hillary Clinton an, hinter ihnen eine deutlich dreidimensionalere Uncle Sam Statue, die uns in gewohnt ernster Manier anschaute und ihren Zeigefinger regungslos auf uns gerichtet hielt.

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Der Rest des Abends war eine Aneinanderreihung von Kuriositäten. Für mich zumindest. Ich ziehe hiermit erstmal den Hut vor allen Menschen, welche sich in regelmäßigen Abständen aus beruflichen Gründen dazu gezwungen sehen, sich in solchen Gesellschaften zu bewegen oder das gar freiwillig tun. Meine Güte. Mir würde diese Oberflächlichkeit, dieses sich-selbst-profilieren-wollen, diese „Haste nix, kannste nix, biste nix“-Attitüde früher oder später den letzten Funken Lebensfreude rauben.

Ich war altersmäßig doch eindeutig eher dem Servicepersonal als den Partygästen zuzuordnen, was mir einige verwunderte Blicke einbrachte von Herrschaften, die damit beschäftigt waren, sinnhafte Konversationen über die angespannte, politische Lage in Amerika und ihre Auswirkungen auf den Nahostkonflikt zu führen, ihre Seidenkrawatten glatt zu streichen oder sich das in für amerika so typischer Manier als Fingerfood angebotene Abendessen irgendwie elegant einzuverleiben.

Also tat ich das einzige, was mir in dieser Situation richtig erschien: Essen. Viel. Ich aß sehr viel an diesem Abend, eventuell etwas zu viel, nein, ganz sicher sogar zu viel, aber es war saulecker und teilweise sehr vegan und vor allem kostenlos. Gefährliche Kombination. Es gab asiatische Nudelpfanne, Süßkartoffelpommes, Couscoussalat, Avocadobagel, einen Cappuchino, eine Hand voll Lay’s Chips und dann, weil es so schön war, nochmal die asiatische Nudelpfanne. Um zwei Uhr morgens. Man gönnt sich ja sonst nichts.

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Um mich herum wuselte alles, was in Berlin was auf sich hielt und nicht gerade im Kanzleramt abhing. Namen kann ich hier leider nicht auflisten, weil ich sie nicht weiß. Shame on me. Jeder, dessen Gedächtnis für das Speichern von Namen eine Kapazität aufweißt die mehr als lediglich die eigene Familie und den engsten Freundeskreis umfasst, hätte vermutlich locker zwanzig Menschen benennen können. Ich hingegen schob mich durch die Menge, und meine innere Stimme verfiel in eine Endlosschleife von „Kenn ich, kenn ich, kenn ich auch, kenn ich, kennt man, kenn ich, hab ich auch schon mal gesehen, kenn ich, kenn ich.“.

Mein persönliches Highlight war allerdings Tuvia Tenenbom. Dieser Name wird nun wiederum nicht allzu vielen Menschen was sagen, mir sagte er aber sehr wohl was, hatte ich doch erst vor einigen Monaten eines seiner Bücher, „Allein unter Juden“, gelesen. Tuvia Tenenbom war nun also auf jener Party, gab Interviews, und saß hinter einem Tisch, auf dem sein neuestes Werk „Allein unter Amerikanern“ lag. Ich hatte meiner Begleitung am Vorabend versprochen, keinen Wind zu machen, wenn ich berühmte Persönlichkeiten sehe, riss mich also zusammen und grinste fröhlich in mich hinein. Tuvia Tenenbom. Schreibt übrigens gute Bücher, falls sich die jemand von euch mal angucken möchte.

Nach Mitternacht hatten sich die meisten Besucher schon wieder nach Hause verkrümelt. Wir hatten alles wichtige gesehen, den Ausblick von der Dachterasse zum Beispiel, und uns von ein paar sehr freundlichen Google-Mitarbeitern die neuesten Technologien erklären lassen. Sehr cool, sehr High-Tech, sehr gruselig. Irgendwann wurden die Buffets leergeräumt, es fand sich nur noch eine kleine Menschentraube vor einem großen Bildschirm wieder und verfolgte nun gespannt die Liveübertragung der Wahlergebnisauswertung auf CNN. Was für ein Desaster. Auch für meinen Schlafrhytmus.

Es sah aus als gewinne Trump, dann Clinton, dann Trump, dann Clinton. Ständig hielten sich diese blöden Auszählungen die Waage, und niemand konnte eine Prognose abgeben, wohin das führen würde. Um drei Uhr morgens fand ich mich in einer bizarren Situation wieder. Ich saß auf einem weißen Kunstlederhocker, auf eine riesige Leinwand starrend, auf der Wahlparty der US-Botschaft unter den Linden 1, die Lichter zum größten Teil ausgeschaltet, die meisten Gäste gegangen, und um mich herum saßen noch etwa 50 Menschen, zur einen Hälfte bestehend aus dürren Ladies der High Society, die verhalten mit US-Flaggen bedruckte M&Ms mümmelten, während die andere Hälfte, Männer diverser Altersgruppen in Anzügen, sich alle nach vorne gebeugt mit verschränkten Händen auf ihre Knie sützten und ernste Gesichter machten.

„Verrückt“ dachte ich „was so alles geschrieben steht. Wenn das hier schon vorherbestimmt war, was hat dieses crazy Leben dann bitte noch alles für mich in petto?“

Um halb vier war noch immer kein Ende abzusehen. Meine liebe Begleitung hatte mir angeboten, dass ich mit im Hotel übernachten könnte, und ich hatte dankend angenommen, da meine Wohnung doch erstens vergleichsweise weit weg und zweitens morgens um halb vier alleine auch nicht so ganz gefahrlos zu erreichen war. Also ging es mit dem Taxi ins Hotel. Schlafen. Von vier bis sieben. Da ist man richtig ausgechlafen, liebe Leute. Und wie ich es dann am nächsten Morgen nach Hause schaffte, stand ja bereits im Anfang meines letzten Berichtes.

In diesem Sinne! Schauen wir mal, was mir in nächster Zeit noch so wiederfahren wird. Ich denke ja in vielen Situationen sowas wie: „Mann, das zu toppen wird echt schwer!“ aber mein Leben scheint das immer eher als Herausforderung zu sehen. Maktub.

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