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Singapore

Singapore Part II

Okay. Bevor ich in mein Bettchen fiel, lernte ich noch zwei junge Männer aus Australien kennen, die mit mir in meinem Hostel weilten. Chau hatte chinesische, Simon vietnamesische Wurzeln, Chau war Barista, Simon Koch. Zwei sehr nette Zeitgenossen, und so verabredeten wir uns dazu, am nächten Morgen gemeinsam an einer kostenlosen Stadtführung durch Chinatown teilzunehmen. Warum auch nicht?

Dahin waren wir jedenfalls am nächsten Morgen unterwegs. 40 Minuten MRT und Fußmarsch später standen wir in brüllender Hitze mitten in der Sonne in Chinatown und lauschten einem beeindruckend leise sprechenden Tourguide, währdend der die Entstehungsgeschichte Singapurs und im Speziellen eben Chinatown wiedergab. Die erste von zwei Stunden hielten wir durch, dann brauchten die Jungs dringend was zu essen.

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Wie Männer nämlich eben so sind, hatten die natürlich vor unserem Abmarsch nicht gefrühstückt, sondern lieber bis 5 Minuten vor der verabredeten Zeit geschlafen. Ich war – ebenfalls sehr typisch für mich – 90 Minuten vor Abmarsch aus dem Bett gesprungen, hatte mich gerichtet und mir zum Frühstück einen Obstsalat mit Haferflocken, Rosinen und Sojamilch zusammengeschnippelt. Mir ging es also ziemlich gut. Doch ich hatte natürlich erbarmen, auch, weil die piepsige Stimme unseres Touristenguides in meinem Kopf bereits nach Minute zwanzig zu einem atmosphärischen Rauschen verkommen war. Also verließen wir die Gruppe und ließen uns in einem nahe gelegenen Café nieder, wo meine Begleiter diverse Varianten gewürzter Tierkadaver verspeisten. Sie boten mir fröhlich an, mir was abzugeben – ich glaube, sie hatten das Konzept „vegan“ noch nicht so ganz verstanden. Ich lehnte also dankend ab und mümmelte aus Höflichkeit an einer von mir mitgebrachten Banane.

Doch das rege Interesse an verschiedenen Ernährungsformen, welches der Koch und der Barista vermutlich schon von Berufswegen mitbrachten, führte dazu, dass wir zum Nachtisch zwei Häuser weiter in der „Well Dressed“ Salatbar vegane Brownies verspeisten. Alle waren begeistert, und wir drei verstanden uns immer besser. Wie sich herausstellte, war zumindest Chau genau so ein Hipster wie ich, mit einem Fotoblog und einer seltsamen Liebe für guten Kaffee und stylische Cafés und – Überraschung – einem Universitätsabschluss in Grafikdesign.

Wir drei liefen weiter durch Chianatown und erkundeten den Stadtteil auf eigene Faust. Zwei Sehenswürdigkeiten nahmen wir mit: Den Buddha Tooth Relic Temple und den Thian Hock Keng Temple. Ich muss ja sagen, so Tempelbesichtigungen machen deutlich mehr Spaß, wenn man jemanden im Schlepptau hat, der mit der chinesischen Kultur aufgewachsen und dazu noch in der Lage ist, das für uns so unverständliche Mandarin an den Wänden zumindest fetzenweise zu übersetzen.

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„Hier steht was von einer Schwangeren.“

Chau studierte angestrengt eine der goldenen Wandtafeln.

„Zweites Kind…“

er fuhr mit dem Finger die vertikalen Zeilen der Inschrift entlang.

„…zweites Kind, neun Monat, Wasser… äh… Explosion?“

Stille. Ich guckte Simon an, Simon guckte Chau an, dessen Blick noch immer an der goldenen Schrift hing.

„Äh – Bruch! Wasser, Bruch… Ach…“

Und in jenem Moment brachen wir alle drei in schallendes Gelächter aus. Irgendwie hatte es die doch sehr bildhafte Übersetzung „Wasserexplosion“ in Verbindung mit der angespannt-stillen Stimmung im Tempel geschafft, dass wir uns alle bald nicht mehr halten konnten vor Lachen. Es mag nicht so lustig klingen, wenn man es liest. Aber in jenem Moment hielten wir uns alle drei die Bäuche. Die Mönche guckten sich verstört um, ein kleines, französisches Kind versteckte sich hinter seinem großen, französischen Vater, eine Gruppe chinesischer Touristen machte Fotos von uns, während uns die Tränen übers Gesicht liefen.

„Chau, deine Cousins dritten Grades wollen ein Familienfoto.“

„Die können genau so gut wen anders fotografieren, wir sehen doch eh alle gleich aus.“

Hach. Mit selbstironischen Menschen lacht es sich nach wie vor am Besten.

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Als wir beide Tempel zur Genüge betrachtet hatten, ließen wir uns in einem nahe gelegenen Café nieder und tranken endlich. Alle. Kaffee.

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Wenn ich sonst mit Menschen in ein Café gehe (was zugegebener Maßen auf meiner Reise bis jetzt eher selten vorkam, ich bin ja eher so die „allein-im-Café-sitzen-und-ein-Buch-lesen-oder-Blog-Schreiberin“) trinken die immer seltsame Sachen. Grünen Tee, heiße Schokolade, oder – Gott bewahre – einen Frappuchino. Doch auf die australische Kaffeekultur ist immer Verlass, und so gab es einen richtig echten Kaffee für jeden von uns, und dazu noch eine Bewertung vom unter uns weilenden Barista. So lob ich mir doch meinen Cafébesuch.

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Nachdem wir alle ausgetrunken hatten, trennten sich unsere Wege. Die Jungs wollten noch irgendein Musikbox-Museum besichtigen, während ich dringend einen Blogpost fertigzustellen hatte. Außerdem bekam ich Hunger. Und so umarmten wir uns alle und wünschten einander eine gute Reise, bevor ich alleine richtung Telok Ayer Market schritt.

Das ist eine große, alte, sehr schicke Markthalle mitten in Singapur (und nicht weit von meinem Ausgangspunkt entfernt), in der gefühlt Gerichte jeder nur erdenklichen Küche der Welt angeboten wird. Ich bewunderte das Bauwerk, den reich verzierten Altbau, wie er da einsam und alleine mitten zwischen riesigen Bürogebäuden aus Glas und Stahl stand, die edel in der Sonne glänzten. Das war wohl Singapur in einem Bild.

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Nach kurzer Suche fand ich einen Stand mit Reis und Dal. Dal ist indischer Linseneintopf, und indisch geht immer. Also bestellte ich eine Portion, ließ mich an einem Tisch nieder, aß, und schrieb meinen aktuellen Blogpost fertig. Als ich aufgegessen und fertig getippt hatte, war es etwa 16:30 Uhr nachmittags. Was tun mit dem angefangenen Tag? Na?

Alle treuen Blogleser mal raten: Was macht Klara am späten Nachmittag mit einem angefangenen Tag, wenn sie keine weiteren Pläne hat und es noch zu früh ist, um ins Land der Träume zu entschwinden?

Korrekt. Kunstmuseum.

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Meine Beine trugen mich zwei Kilometer durchs Büroviertel und an der städtischen Bucht entlang bis hin zum Art Science Museum. Das steht allein auf einer Landzunge in der Bucht und sieht total verrückt aus. Anders kann ich es nicht beschreiben. Wenn es Singapur an einer Sache nicht mangelt, dann ist es wohl ausgefallene Architektur. Man denke nur an das Wahrzeichen Nummer eins, Marina Bay Sands – doch dazu später.

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Ich lief also durch sonnenbeschienene Straßen, hörte ein bisschen Gute-Laune-Musik und ließ meinen Pferdeschwanz im Takt dazu wippen. Ich hatte gute Laune. Verdammt gute Laune sogar. So gute Laune, dass ich kurz am Wasser stehen bleiben, grinsend aufs Wasser gucken und ein kleines Gebet gen Himmel schicken musste.

„Danke. Danke danke danke danke danke danke und danke. Amen.“

Mehr braucht es manchmal gar nicht.

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Das Art Science Museum war einen Besuch wert, weil das Gebäude so unheimlich beeindruckend war. Die Ausstellungen selbst haben mich jetzt nicht vom Hocker gehauen. In „Big Data“ ging es um künstlerische Interpretationen der Datenflut, die täglich weltweit aufgrund zunehmender Technologisierung anfällt – insofern noch recht spannend für mich, als dass ich ja kürzlich meine Bachelorarbeit über Data Mining geschrieben habe. Aber die zweite Ausstellung – Thema: Schmuck und Edelsteine – lag nun wahrlich weit außerhalb all meiner Interessengebiete. Bei Gold und Diamanten schießen mir gleich tausend Menschenrechtsproblematiken in den Kopf, die der Abbau mit sich bringt, sodass ich die Kunst des Goldschmiedens leider nicht so recht genießen kann – oder will.

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Als ich aus dem Museum trat, hatte die Sonne bereits begonnen, unterzugehen, und mich begrüßte ein wunderschönes, in rot-oranges Licht getauchtes Bild der so sauber konturierten Skyline Singapurs. Damit stand die Entscheidung fest: Es würde wieder ein Abendspaziergang nach Hause werden.

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Ich durchlief die „Helix“, eine berühmte Fußgängerbrücke in der Stadt, deren Konstruktion der Doppelhelix eines DNA-Stranges nachempfunden worden war. Blieb dabei mehrere Male stehen und sah der Sonne beim Verschwinden zu. Lachte jeden an, der mir entgegen kam. Machte ein paar Fotos. Machte ein Video und schickte es an meine Eltern, um mich dafür zu bedanken, dass sie mich immer dabei unterstützt hatten, solche Momente möglich zu machen. Und als ich genug gesehen hatte, nahm ich Schwung auf und lief in gewohnt schnellem Wandertempo durch die Stadt zurück zu meinem Hostel.

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Mit kleinem Zwischenfall, denn mein Heimweg führte mich mitten durch ein Einkaufszentrum, in dessen sieben Ebenen ich mich vom Allerfeinsten verlief und erst nach 30 Minuten den richtigen Ausgang fand. Südostasien und seine Einkaufszentren. Segen oder Fluch.

Am nächsten Morgen kaufte ich in meinem Hostel eine Eintrittskarte zum Marina Bay Sands Skypark. Was ist Marina Bay Sands? Die Erklärung bin ich euch ja noch schuldig. Also.

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Barina Bay Sands ist ein Luxushotel mit angeschlossenem Luxus-Einkaufszentrum das Gebäude, welches die Skyline Singapurs am stärksten definiert. Es sieht im Prinzip aus, als hätte jemand ein Schiff auf drei Säulen gestellt und da stehen lassen. Als es 2010 eröffnet wurde, war es das teuerste Gebäude der Welt. Es ist DER Aufenthaltsort der ganz Reichen und ganz Schönen, von denen es in Singapur tatsächlich genug gibt, und definitiv ein Ort, den man mal besucht haben muss. Ganz oben auf dem Hotel gibt es eine Aussichtsterasse, den Marina Bay Sands Skypark, der gegen Zahlung eines saftigen Eintrittspreises auch dem gemeinen Fußvolke offen steht, zudem ich selbst ja nun auch gehörte.

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Eine MRT-Fahrt, einen verwirrenden Fußmarsch und 56 Stockwerke später stand ich da. Oben drauf auf dem Marina Bay Sands Hotel und mitten drin im Marina Bay Sands Skypark. In den allermeisten Fällen sieht eine Stadt aus der Höhe betrachtet ja etwa drei bis sieben mal besser aus als aus normaler Fußgänger-Perspektive, und das schien nun auch auf Singapur zuzutreffen. Ich genoss den Ausblick, machte meine Fotos, und freute mich des Lebens.

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Mittag gab es noch ein weiteres mal bei Project Acai in der Orchard Road, und das aus einem ganz bestimmten Grund: Wie ich am Abend zuvor herausgefunden hatte, befand sich im selben Einkaufszentrum, sechs Stockwerke über Project Acai, eine weitere Filiale der Kinokuniya-Buchhandlungen. Tja. Und was das heißt, brauche ich euch ja jetzt wohl nicht mehr darzulegen.

Ich aß also Mittag und verbummelte wieder einige Stunden bei Kinokuniya, wieder ohne irgendwas zu kaufen. Irgendwann gab es einen Kaffee, und nach einer weiteren Runde des Bücherstöberns wurde es auch langsam Zeit, zu abend zu essen. So kann man schon mal einen ganzen Nachmittag herumbringen.

Fürs Abendessen hatte ich was besonderes geplant. In Singapur gibt es ein tolles Etablissement namens „VeganBurg“ – was da serviert wird, lässt sich aus dem Namen vermutlich ganz gut ableiten. VeganBurg hat eine Filiale in Singapur und eine in San Francisco in den USA, und genau dort hatte zufällig ein alter Schulfreund meiner Mutter bereits vor einigen Monaten die Burger von VeganBurg probiert und für außerordentlich gut befunden. Gestestete und für gut befundene, vegane Burger? Na. Ihr wisst, was das hieß.

Um sechs Uhr saß ich hungrig und voller Vorfreude an meinem Tisch im VeganBurg, als mir mein Avocado-Rote-Beete-Burger serviert wurde. Und meine Fresse, was der lecker.

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Ja, ich muss es sagen. Es war der verdammt noch mal beste Burger aller Zeiten. Selbst die Pommes waren besser als alles, was ich bis dahin an Pommes gegessen hatte. Will heißen: Sollte irgendjemand von euch mal in San Francisco oder Singapur landen, ob Veganer, Vegetarier oder Fleischesser, lasst euch doch bitte die Burger im VeganBurg nicht entgehen. Bitte.

Gut gesättigt und glücklich rollte ich – dieses Mal per MRT – ein letztes Mal zurück in mein Hostelbett. Für den nächsten Morgen war ein Flug gebucht.

Am nächsten Tag ging es zur letzten Station meines Südostasien-Abenteuers.

Bali.

2 Antworten auf „Singapore Part II“

Wte verkraftest Du das nur alles Klara?Mir schwirrt ja schon der Kopf vom Lesen!Man muß wohl ´vegan´ sein,um das alles so bewußt aufnehmen zu können!!! Wie winzig wird Dir Meisdorf vorkommen?! Aber Du bist ja offen und wirst auch unsere Schönheiten wieder erkennen.
Darum: Carpe diem ! Bleib behütet!

Wir gehören nach wie vor zu den „eingefleischten“ Fleischessern. Aber Dir zu Liebe würden wir den Veganer Burger und die Pommes essen !!!!
Egal in was für einem Fett sie auch gebraten wurden !?
Also, bei aller Liebe für die große weite Welt, Singapur , nein Danke! So viel Menschen auf kleinem Fleck, eingepfercht zwischen Glas Stahl und
anderen Hochhäusern. Die kleine Chinatown wird ja von den Balbel`schen Turmbauten förmlich zerdrückt.
Wir fragen uns, wie mag es Deinem Bein mit der Wunde gehen – denn jetzt kommt doch das Wasser-Pradies Bali !?

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